Berlin. Markus Lanz sprach mit fünf weißen Experten über Rassismus und Polizeigewalt in den USA. Damit reproduziert er das Problem.
Die Talkshow von Markus Lanz machte am Dienstagabend Corona-Ferien. Nachdem die Pandemie in den vergangenen Wochen permanent größtes und wohl auch wichtigstes Nachrichtenthema gewesen war, ist in den letzten Tagen die Situation in den USA verstärkt in den Vordergrund gerückt. Der mutmaßliche Mord an dem Schwarzen George Floyd durch Polizisten in Minneapolis hat zu einer Welle von Protesten in mehr als 140 Städten in den Staaten geführt.
„Markus Lanz“ zu Protesten in den USA – das waren die Gäste:
- Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios Washington
- Johannes Hano, Leiter des ZDF-Studios in New York
- Sandra Navidi, Finanzexpertin
- Christian Hacke, Politikwissenschaftler
- Markus Feldenkirchen, Journalist, „Der Spiegel“
USA-Korrespondent Elmar Theveßen berichtete live vom Demo-Schauplatz vor dem Weißen Haus – und zeigte wenig Hoffnung, dass die Lage nicht weiter eskalieren wird: „Der Präsident hat ja angekündigt, dass er das Militär ins Land hinausschicken will, wenn die Gouverneure es nicht in den Griff bekommen“, berichtete der ZDF-Journalist. Zwar müssten die Gouverneure rechtlich gesehen das Militär selbst anfordern – es könne aber gut sein, dass Donald Trump sich darum nicht schere.
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„Markus Lanz“ zu Protesten in den USA: „Kampf wird sich an der Wahlurne entscheiden“
Theveßen ist überzeugt, dass die tiefe Spaltung der US-Gesellschaft, wie sie jetzt in den Protesten erneut sichtbar wird, sich noch vertiefen wird: „Dieser Klassen- und Kulturkampf wird sich erst im November an den Wahlurnen entscheiden.“
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Finanz-Expertin Sarah Navidi, die selbst in New York lebt, überraschen die aktuellen Ereignisse kaum: „Ich habe 2016 schon vorhergesagt, dass Donald Trump versuchen wird, das Militär auf die Straße zu bringen. Denn sein ultimatives Ziel war immer eine feindliche Übernahme der Demokratie, um eine Autokratie zu etablieren.“ Amerika befinde sich an einem „Kipppunkt“.
Expertin bei Markus Lanz: „Der amerikanische Traum ist ausgeträumt“
Dass George Floyds Tod nun solche Protestwellen auslöst, sieht sie auch als Folge von wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheit: „Wenn Sie in Amerika in eine arme oder schwarze Familie geboren werden, ist der amerikanische Traum ausgeträumt. Soziale Mobilität können Sie abschreiben“, sagt Navidi. Trumps Finanzpolitik habe dies noch verschärft.
Markus Feldenkirchen, der lange für den „Spiegel“ aus den Vereinigten Staaten berichtete, sieht in der Spaltung zwischen weißer und nicht-weißer Bevölkerung ein „Spezial-Verhältnis“ das noch aus der Zeit der Sklaverei herrühre. Von klein auf bekämen schwarze Kinder anerzogen, dass sie „wie Tiere behandelt“ werden könnten. Ähnlich wie Navidi betont auch Feldenkirchen die ökonomische Komponente der Unterdrückung: „Es erzieht zu Duckmäusertum und Demut, wenn man sich im Zweifel den Anwalt nicht leisten kann.“
Markus Lanz diskutiert nur mit weißen Gästen über Rassismus
Es ist richtig und wichtig, dass im ZDF über Alltagsrassismus und Polizeigewalt gegen rassifizierte Menschen diskutiert wird. Denn auch in Deutschland gibt es Fälle, wie beispielsweise den von Oury Jalloh, die zurecht die Frage aufwerfen, ob die deutsche Gesellschaft und der Staat bei Gewalt gegen Minderheiten und farbige Menschen aktiv wegschauen. Lesen Sie hier: Asylbewerber Oury Jalloh wurde vermutlich in Zelle getötet
Was aber an Lanz’ Sendung fatal ist: Nur weiße Experten saßen im Studio oder wurden zugeschaltet – darunter übrigens nur eine Frau. Wie man in der Sendungsredaktion auf die Idee kam, dass man über systemischen Rassismus sprechen kann, ohne Betroffene einzuladen, die eben diesen erleben, ist schleierhaft.
Talk bei Lanz: Über Rassismus sprechen, ohne Betroffene einzuladen?
Frei nach dem Motto: Warum mit ihnen reden, wenn die weißen Experten viel besser über sie reden können? Häufig wird an deutschen Talkshows die extrem niedrige Frauenquote kritisiert. Noch seltener als weibliche Expertinnen werden wahrscheinlich nur Menschen eingeladen, die einer Minderheit angehören oder eine nicht-weiße Hautfarbe haben. Das ist auch ein strukturelles Problem der deutschen Elite.
Dass aber gerade bei einem Thema wie in der Lanz-Sendung keine „People of Color“ eingeladen sind, ist schlichtweg schamvoll. Dass weder Moderator noch Gäste es dann nicht einmal schaffen, in der Sendung zu thematisieren, dass sie die Situation schwarzer Menschen in den USA aus der bequemen Position weißer Deutscher beurteilen, ist fast noch tragischer.
Denn so reproduziert der Talk bei Lanz weiter das Problem, über das er aufzuklären vorgibt: Stimmen nicht-weißer Menschen werden nicht gehört. Selbst wenn sie wohl am besten etwas zu der Diskussion beitragen könnten. So kommt es auch, dass die Gäste vor allem abstrakt über die gesellschaftliche Spaltung in den USA und die Ausschreitungen sowohl von Seiten der Polizei als auch der Demonstranten sprechen.
Dass die Menschen auf die Straße gehen, weil sie den Rassismus in ihrem Land einfach satt haben, scheint eine Nebenrolle zu spielen. Um das sichtbar zu machen, hätte wohl eine von Rassismus betroffene Person im Studio sitzen müssen. Eine Talkshow wie diese kommuniziert dagegen nur, dass schwarze Leben zwar von Bedeutung sind („Black Lives Matter“), aber ihre Meinungen eben nicht.
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