Essen. Henning Mankell hin, Åsa Larsson her – das Zweite bedient sich gern bei renommierten Krimi-Autoren, um das Wochenende nach dem „Tatort” ausklingen zu lassen. Jetzt sind die Mainzer bei Fred Vargas fündig geworden. Die Reihe startet mit der Folge „Bei Einbruch der Nacht” (So., ZDF, 22 Uhr).
Fred Vargas steht für einen charmanter Schwindel. Hinter dem Bestseller-Autor aus Frankreich verbirgt sich eine Frau: die 52-jährige Frédérique Audoin-Rouzeau, Historikerin, Archäologin, Archäzoologin. Sie schuf zwei markante Roman-Figuren mit zuweilen grotesken Zügen. Im Mittelpunkt einer Buch-Reihe steht der Pariser Fahnder Jean-Baptiste Adamsberg (Jean-Hugues Anglade). Zum Auftakt der Vargas-Verfilmungen steht er allerdings in der zweiten Reihe. Monsieur Le Commissaire lässt seiner Ex den Vortritt: Camille Forestier (Hélène Fillières), Künstlerin wie Lebenskünstlerin, Musikerin und Klempnerin. Sie lebt mit einem kanadischen Grizzly-Forscher (Tobias Moretti mit seinen eindringlich eisblauen Augen), der auch Interesse an Wölfen zeigt – zumal ein Wolf gerade Schafsherden der Seealpen aufmischt. Plötzlich sterben Menschen, erst einer, dann deutet sich eine Mordserie an. Treibt ein Werwolf sein Unwesen? Und: Was treibt ihn? Der Krimi spielt mit Mythos und Moderne.
Ein Gesicht wie eine zerklüftete Kalkformation
Die Dorfpolizei ermittelt derart träge, dass Camille auf eigene Faust loszieht – ihr Forscher macht halbherzig mit.
Lässt sich diese Vorlage verfilmen? Unbedingt: ja. Regisseurin Josée Dayan verwandelt ein Drehbuch von Emmanuel Carrère in ein Roadmovie durch eine Gegend, die der liebe Gott vergessen haben muss. Die Serpentinen, die der geneigte Frankreich-Fan sonst nur von der Tour de France kennt, ziehen sich wie ein Leitmotiv durch den Fall. Ein Fall, der nicht nur einer ungewöhnlichen Kulisse lebt, sondern auch von einem reichen Fundus an schrulligen Typen, allen voran ein Schäfer (Anagonou), dessen Gesicht so zerklüftet aussieht wie die bizarren Kalkformationen der Alpen. Und so wortkarg ist er, als folge jedem Wort umgehend ein Peitschenhieb.
Als weiterer Star des Films entpuppt sich der legendäre Citroen-Kastwagen H, der so langsam wie Bergstraßen raufjuckelt, dass er ihn ein Mopedfahrer überholen kann.
Und die Geschichte? Anfangs plätschert sie dahin wie ein Bergbach an der Quelle, dann entwickelt sie einen unwiderstehlichen Sog mit einem rauschenden Finale.
Der Auftaktfilm enthält einen Cliffhanger. Am Ende bleibt nämlich eine Frage offen: Wie geht es mit dem Commissaire und seiner Ex weiter? Zusammen, so viel steht fest, halten sie es nicht aus - aber ohne einander auch nicht.
Nicht immer sind Buch-Verfilmungen Original-Drehbüchern überlegen. In diesem Fall jedoch trafen das ZDF und seine europäischen Koproduzenten die richtige Wahl.