Köln. Der WDR will das Lachen lernen. Der WDR-Filmchef Gebhard Henke fordert Autoren auf, mehr komische Stoffe anzubieten. Das Publikum, glaubt er, verlangt danach. Zugleich deutet Henke an, dass der WDR in Zeiten der Krise statt fünf nur noch vier "Tatorte" produzieren könne.

Wegen der Krise produzieren die Privaten kaum noch eigene Spielfilme und Serien. Fühlen Sie sich als Sieger der Fernsehsysteme?

Gebhard Henke: Überhaupt nicht. Ich sehe das mit Bedauern. Die Ausweitung des Fernsehmarktes in den Neunzigern, die wir als Öffentlich-Rechtliche zuerst mit Sorge gesehen haben, hat uns alle beflügelt. Es hat ein Mehr an Fernsehproduktionen gegeben, denken Sie an die Eventfilme von RTL und Sat.1. Die Qualität ist deutlich gestiegen, auch im internationalen Vergleich. Das Zweite ist: Wenn der Markt sich verknappt, trifft das viele Fernsehmacher. Wir können sie bei ARD und ZDF gar nicht auffangen. Und werden, im Hinblick auf die Gebührensituation, auch selber weniger machen können. Das ist bitter. Ich glaube auch nicht an die darwinistische Theorie der Marktbereinigung. Im Gegenteil: Ich befürchte, dass kleine, kreative Unternehmen auf der Strecke bleiben.

Obwohl die Öffentlich-Rechtlichen durch die Gebühren eine gewisse Einnahme-Garantie haben, werden sie mittelfristig weniger Geld haben, allein mit Blick auf die schrumpfende Bevölkerung. Müssen wir mehr Billigproduktionen von ARD und ZDF befürchten?

Gebhard Henke: Die Fernsehfilme werden mit Vorlauf produziert. Was wir jetzt sehen, ist im vergangenen Jahr entstanden. Wir werden die Folgen der Krise wohl erst im nächsten oder im übernächsten Jahr sehen. Ich glaube aber, dass es fatal wäre, einen „Tatort“ zu einer Billigproduktion zu machen. Das gilt auch für unsere Mittwochsfilme oder unsere historischen Mehrteiler. Da fragen wir uns dann eher, sollen wir statt fünf „Tatorten“ nicht lieber nur vier machen. Natürlich versuchen wir, effizienter zu produzieren. Es gibt technische Innovationen wie HD. Sie wird die Produktion nicht teurer machen, sondern tendenziell eher billiger.

"Wiederholungen liefen im Sommer fantastisch"

Weniger produzieren – das heißt, die Zahl der Wiederholungen steigt.

Gebhard Henke: Mag sein. Aber: Wir haben in den letzten Jahren immer weniger wiederholt. Früher gab es im Sommer viel mehr „Tatort“-Wiederholungen. Und die Wiederholungen im Sommerprogramm laufen ganz fantastisch. Oder anders: Nehmen wir den letzten „Tatort“ aus Münster, der einen sagenhaften Marktanteil von 27 Prozent hatte. Aber Das heißt doch im Umkehrschluss: 63 Prozent haben den "Tatort" noch gar nicht gesehen.

Bleiben wir beim „Tatort“. Der SWR hat drei „Tatorte“, in Ludwigshafen, in Stuttgart und am Bodensee. Wann gibt es denn den „Tatort“ aus dem Ruhrgebiet?

Gebhard Henke: Da gibt es zurzeit gar nichts. Wir sind mit unseren beiden "Tatort"-Formaten aus Münster und Köln sowie dem „Schimanski“ aus Duisburg an der Kapazitätsgrenze.

Gehen wir von kriminell zu lustig. Die deutsche SitCom siecht dahin. Nehmen wir „Türkisch für Anfänger“: Die Kritik hat gejubelt, das Publikum hat gesagt, na ja. Ist in Deutschland Schluss mit lustig?

"Das Komische hat immer Konjunktur"

Gebhard Henke: Na, „Türkisch für Anfänger“ hat schon sein Publikum gefunden. Aber zugegeben: Das Leichte ist das Schwere. Und der WDR steht nicht gerade in dem Ruf, zu den Lustigsten zu gehören, aber wir erlahmen nicht in unserem Bemühen. Glauben Sie bloß nicht, wir kriegten ein- bis zweimal pro Jahr eine Ruhrgebietskomödie angeboten! Im Gegenteil: Wir müssen den Autoren und Produzenten hinterlaufen, damit wir gute humorvolle Stoffe bekommen. Das finde ich traurig. Denn das Komische hat immer Konjunktur. Die Menschen lieben das, gerade in schlechten Zeiten.

Daraus entnehme ich: Autoren, schreibt komische Geschichten.

Gebhard Henke: Ja, durchaus auch Gesellschaftssatiren wie „Rossini“.

Klinikserien laufen nach wie vor unheimlich gut. Sind wir ein bisschen wehleidig?

Gebhard Henke: Nein, sehe ich nicht so. Ärzte werden immer glorifiziert, selbst ein Misanthrop wie „Dr. House“, er ist übellaunig, süchtig, aber heilt am Ende immer. Nein, diese Geschichten decken ein Grundbedürfnis ab, und diese Geschichten eignen sich sehr gut für ein serielles Erzählen, es gibt einfach genügend Fälle. Beim Arzt oder beim Anwalt kommt alles heraus.

Ärgern Sie sich darüber, dass „Dr. House“ nicht vom WDR entwickelt worden ist?

"Die jüngere Generation ist entkrampft"

Gebhard Henke: Nein, nein. Das wäre vor Jahren niemandem eingefallen, einen Anti-Helden wie „Dr. House“ zu zeigen. Niemand hätte erwartet, dass der so gut läuft. Und: Deutschland und Amerika haben unterschiedliche Traditionen. In Amerika ist die Serie ganz hoch angesehen, in Deutschland das Fernsehspiel. Andererseits gibt es natürlich auch bei uns gute Beispiele für Serien: „Mord mit Aussicht“, „KDD“ oder auch „Doctor’s Diary“ zum Beispiel.

Letztens gab es wieder eine Studie, in der es hieß: Türkische Zuschauer vermissen Emotion im deutschen Fernsehen. Haben wir Angst vor großen Gefühlen?

Gebhard Henke: In den 50er und 60er Jahren sind viele Menschen in schwarzen Rollkragen-Pullovern herumgelaufen – und zwar mit Absicht. Dominik Graf hat das mal in einem Film über seinen Vater sehr schön gezeigt. Es ging darum, die Instrumentalisierung des Emotionalen, wie wir es im Faschismus erlebt haben, abzuwehren. Deshalb gab es auch eine Abwehrbewegung bei den Achtundsechzigern: Alles sollte rational betrachtet werden, dem Gefühl, dem Bauch wurde misstraut, denn das führte zum Faschismus. Aber die jüngere Generation – das sehe ich auch bei meinen Studenten – ist ziemlich entkrampft. Heute sind Filme witzig, erotisch. Ich finde, wir haben ein besseres Verhältnis zur Emotion im Film gefunden.