Essen. Als Tatort-Kommissar ist Klaus J. Behrendt eine Institution. Am 19. Juni spielt er in „Fünf Tage Vollmond” (ARD, 20.15 Uhr) einen Wasserbauingenieur, der 1969 eine verheiratete Frau aus ihrer Familie reißen will. Timo Günther sprach mit ihm über Familie und den Kampf gegen sich selbst.

Herr Behrendt, man kennt Sie als Tatort-Kommissar Max Ballauf und aus Charakter-Rollen in ernsten Filmen. Jetzt sind Sie in „Fünf Tage Vollmond” auf einem ARD-Sendeplatz zu sehen, der meist seichten Stoffen vorbehalten ist.

Klaus J. Behrendt: Das würde ich wahrscheinlich auch sagen, wenn ich nur auf den Sendeplatz schauen würde. Aber der Stoff ist ernst, und wir haben versucht, den Kitsch rauszunehmen.

Thema des Films ist die große, unerfüllte Liebe?

Behrendt: Nein, das geht tiefer. Die Geschichte spielt 1969. Ich war damals neun Jahre alt, jetzt werde ich 50. In diesen 40 Jahren hat sich viel verändert. Ich bin in der Kleinstadt Ibbenbüren aufgewachsen. Wenn ich mit meiner Mutter einkaufen ging, kam es durchaus mal vor, dass sie zu mir sagte: „Guck mal, die Frau da drüben – die ist geschieden.” Die geschiedene Frau hatte ein Riesen-Kainsmal auf der Stirn. 1969 war es ein No-Go, aus der Ehe auszubrechen, heute wird jede dritte Ehe geschieden. Deshalb hat es mich gereizt, den Anton Brunner zu spielen. Er versucht, eine Frau aus ihrem festen Gefüge rauszureißen. Aber sie hält sich am Gefüge fest. Brunner geht als ganz arme Wurst aus der Geschichte heraus.

Wäre es für die Frau besser gewesen auszubrechen?

Behrendt: Kurzzeitig stand sie knapp davor. Aber sie hat dann richtig gehandelt. Ich hoffe, sie würde auch 2009 so handeln.

Wegen der Kinder?

Behrendt: Nein, wegen sich selbst! Wir sehen immer nur das, was wir nicht haben. Aber Dinge wie ein toller Partner, Kinder, ein Zuhause, das man sich aufgebaut hat – das alles kann man nicht so einfach in die Tonne hauen.

Klingt bodenständig. Als junger Mann haben Sie eine Lehre zum Bergmechaniker gemacht, haben drei Jahre unter Tage gearbeitet. Was haben Sie dort erfahren, was Sie noch heute prägt?

Behrendt: Dass ich unter Tage gegangen bin, lag an Ibbenbüren. In den 70ern gab es dort 8000 Kumpel, Ibbenbüren und Umland hatten 42 000 Einwohner. Als 17-Jähriger wusste ich aber so was von überhaupt nicht, was ich machen sollte. In Ibbenbüren ging man halt zum Bergbau. Ich verbuche das für mich unter dem Kapitel Abenteuer, andere Jungs fahren zur See. Keinen einzigen Tag aus der Bergbau-Zeit will ich missen: Wie man sich aufeinander verlassen muss, zusammenarbeitet, einander vertrauen muss. Und man weiß, was es heißt, Geld mit den Händen zu verdienen. Das ist ein großer Unterschied zu dem, was ich jetzt mache.

Helfen Ihnen diese Erfahrungen, Rollen von völlig unterschiedlichen Menschen zu spielen?

Behrendt: Ich glaube, das hat nichts mit dem Bergbau zu tun. Wichtig ist eher, wie man aufwächst, geprägt wird und geerdet ist. Es ist wichtiger menschlich zu sein, als wichtig zu sein. Wer die Menschen nicht versteht, kann sie auch nicht spielen. Anton Brunner zum Beispiel ist Wasserbauingenieur, er verlegt Rohre. Da kann ich mich nicht reindenken, wenn ich mich für wichtig halte.

Sie haben mal gesagt, Sie müssen bei der Arbeit täglich den eigenen Schweinehund besiegen. Wie meinen Sie das?

Behrendt: Der Punkt ist nicht, Texte zu lernen. Der Punkt ist, einen Charakter zu knacken. Sich hineinversetzen, die Figur verstehen. Und man hat nicht jeden Tag seine Top-Form. Manchmal muss ich um eine Figur kämpfen.

Wann zuletzt?

Behrendt: Das war 2007 in „Guter Junge”, wo ich den Vater eines Pädophilen spielte. Ich habe selbst Söhne. Wenn der eigene Sohn pädophil ist, ist das der Gau. Sich dann zu vergegenwärtigen: Das ist trotzdem mein Sohn, den ich trotzdem liebe – das war an der Rolle schwer zu knacken. Eine wahnsinnige Herausforderung, aber genau das bringt den Spaß am Beruf.

Der Tatort-Kommissar Max Ballauf ist wohl keine Herausforderung mehr. Den haben Sie längst geknackt. Trotzdem noch Spaß daran?

Behrendt: Wir haben jetzt 45 Tatorte gedreht – die Figur ist geknackt, klar. Aber wir hatten sehr viele sozialkritische Themen und wollen auch so weitermachen. Und jedes Thema muss neu geknackt werden. Das macht Spaß. Wir wollen ja polarisieren. Die Leute sollen am nächsten Tag über den Tatort reden: „Boah, hast Du das gestern gesehen!”

Wie lange machen Sie den Tatort noch?

Behrendt: Das hängt von vielen Faktoren ab. Am wichtigsten ist, dass uns das Publikum annimmt. Solange machen wir weiter. Will uns der Zuschauer nicht mehr, werden wir die Bremse ziehen.