Berlin. Günther Jauch strickt an der Legende für sein ARD-Aus: Nicht er sei Schuld an der wenig überzeugenden Performance der Sendung – sondern die Politiker.

In der ersten Sendung seiner Abschiedstournee knüpfte sich der scheidende ARD-Cheftalker Günther Jauch den G7-Gipfel in Elmau vor. Und die Lage in Ägypten. Und die griechischen Schulden. Und die Presse. Und die Zehn Gebote. Und die Krawatten seiner Gäste. Am Ende war es wie so oft zuletzt bei "Günther Jauch": Man kam schnell vom eigentlichen Thema ab, die Diskussion zerfaserte - der Gastgeber klebte am Fragenmanuskript und schaute meist hilflos zu. Sein für Ende des Jahres avisierter Abschied vom Sonntagabend im Ersten löste an diesem Wochenende jedenfalls keine übermäßige Traurigkeit aus.

Käßmann belegt Schuldenerlass bei Günther Jauch mit Bibel

"Die Welt in Unordnung - kann Politik noch Krisen lösen?", fragte Jauch in die Runde. Die Kritik am parallel in Elmau tagenden G7-Gipfel war immerhin eine veritable Vorlage für den Talk im Berliner Gasometer. Der Journalist Gabor Steingart hatte denn auch gleich, wie gewohnt, eine steile These parat. Die Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs vor bayerischer Alpenkulisse sei weniger eine politisch relevante Runde, bei der wichtige Weichen gestellt würden, sondern vielmehr "eine Art Kameradschaftstreffen", bei dem im übrigen ein wichtiger Kamerad fehle: "Herr Putin gehört an den Tisch!"

Auch interessant

Da konnte Margot Käßmann nur zustimmen. Erkennbar noch beseelt vom Evangelischen Kirchentag schwärmte die Theologin in höchsten Tönen von der Kraft der "Zivilgesellschaft", auf die die Politiker lieber mal hören sollten, statt in Elmau unter sich zu bleiben, aber wirklich jetzt. Immerhin bekannte Käßmann, dass sie "Demokratie und Parteien schon gut" finde und dass ein Schuldenerlass für die Griechen gewissermaßen mit der Bibel zu belegen sei. Mit Jauchs Frage "Passen die 10 Gebote und Politik nicht zusammen?", konnte sie aber nichts anfangen. Na gut, war ja nur ein Versuch. Also weiter.

Neben Käßmann saß Fagr Eladly. Die aus Ägypten stammende Studentin, Journalistin und Bürgerrechtsaktivistin hatte dieser Tage eine Pressekonferenz der Bundeskanzlerin mit dem ägyptischen Staatspräsidenten geschmissen, als sie den Staatsgast lautstark beschimpfte: "Er ist ein Mörder!" Von ihr wollte Jauch wissen: "Warum sind Sie bei den Jusos und nicht bei einer NGO?" Doch Elady wollte viel lieber über Waffenlieferungen und politischen Rückhalt für totalitäre Regimes reden. Der Gastgeber ließ sie gewähren und raschelte mit seinen Manuskriptblättern.

Schleppender Jauch-Talk in der ARD zur großen Weltpolitik

So schleppte sich die Runde dahin. Kanzleramtsminister Peter Altmaier von der CDU durfte noch schnell erläutern, wie schwierig die Politik doch geworden sei. Und der Politologe Dietmar Herz, der für ein paar Jahre für die SPD als Staatssekretär in die Niederungen der Politik hinabgestiegen war, beklagte, er habe in dieser Zeit "oft ein frustrierendes Gefühl" gespürt, wenn er mal wieder nur "Grußworte halten" durfte. Jetzt ist er wieder Politologe.

Auch interessant

Dann aber wurde es doch noch unerwartet interessant, weil sich der Gastgeber ein paar Sätze gleichsam in eigener Sache gestattete. Warum denn nicht gestritten werde, wollte er wissen. Es gebe doch reichlich Themen, um die zu ringen es lohne. "Aber die Minister ziehen oft den Kopf ein", gab Jauch selbst die Antwort. Und: "Die Bereitschaft zur öffentlichen Auseinandersetzung hat spürbar nachgelassen." Was Jauch damit wohl sagen wollte: Wie kann man eine relevante und spannende Sendung machen, wenn die entscheidenden Leute lieber zuhause bleiben?

Doch damit macht es sich der Polit-Talker zu leicht. Dass seine Sendung sich in den vergangenen Monaten oft eine Stunde lang dahinquälte, lag nicht allein an den Gästen, sondern nicht zuletzt auch am Gastgeber. Wie auch an diesem Sonntag moderierte Jauch oft unentschlossen, hakte nicht nach, ließ sich gar das Heft des Handelns aus der Hand nehmen. Man muss konstatieren, dass der stets am Konsens orientierte Günther Jauch für die engagierte Politik-Debatte eine Fehlbesetzung war.

Harmoniebedürftiger Jauch für engagierte Debatte eine Fehlbesetzung

Dies verdeutlichte auch der Ausstieg aus der gestrigen Sendung. Während zu seiner Rechten Margot Käßmann zum gefühlt fünfzigsten Mal die schöpferische Kraft der "Zivilgesellschaft" lobte, wandte Jauch sich bereits den Herren Altmaier und Herz zu, die für ihren Auftritt die gleiche lila Krawatte gewählt hatten. Wie das denn nun zu erklären sei, fragte der Gastgeber betont neckisch nach. Einfallsloser geht's nimmer.