Essen. Die einen beschreien den Untergang Deutschlands, die anderen verstehen die Aufregung nicht - die Spionage-Affäre um BND und NSA spaltet die Republik.
Ausspähen unter Freunden? "Das geht gar nicht", sagte Angela Merkel vor zwei Jahren. Damals war herausgekommen, dass der US-Geheimdienst NSA sogar das Handy der Kanzlerin angezapft hatte. Jetzt steht Deutschland selbst in der Kritik seiner Partner: Der Bundesnachrichtendienst hat offenbar der NSA dabei geholfen, nicht nur Privatunternehmen, sondern auch den Präsidentenpalast in Paris und die EU-Kommission in Brüssel auszuspionieren. Ziemlich peinlich für Merkel, die die Enthüllung in arge Erklärungsnot bringt. Denn das Kanzleramt soll schon lange über den Vorgang informiert gewesen sein.
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Ist Deutschland ein "Paradies für US-Spione?", wollte Maybrit Illner in ihrem ZDF-Talk wissen. Man kann zu dieser Frage eine klare Meinung haben. So wie Erich Schmidt-Eenboom. Der Publizist tingelt seit Jahren als Geheimdienst-Experte mit steilen Thesen durch die Talkshows der Republik. Für ihn ist klar, dass die Amerikaner seit je her in Deutschland spionieren und zudem der deutschen Politik sagen, was sie zu tun und lassen hat.
Die Bundesrepublik habe nur "eine begrenzte Souveränität, so Schmidt-Eenboom, denn: "Frau Merkel lässt sich vorschreiben, was aus Deutschland exportiert werden darf." Das findet den Beifall der Linken Sahra Wagenknecht, die noch einen drauf setzt und der Bundesregierung eine "vasallenhafte Unterwürfigkeit" gegenüber den USA attestiert.
CDU-Mann will erst "alle Dokumente auf dem Tisch" haben
Man kann Illners Frage nach dem Spionage-Paradies aber auch anders beantworten: mit vielen Worten und wenig Inhalt. Ein Experte für diese Taktik ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Clemens Binninger. Als Vize-Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das den geheimen Diensten auf die Finger schauen soll, ist er ein Meister im Beamtensprech.
Zuerst müsse man alle Dokumente auf dem Tisch haben, dann könne man Einsicht nehmen in die Unterlagen und dann werde man sehen, wo was nicht den Vorschriften entsprechen, gegebenenfalls, versteht sich. "Ich will nicht spekulieren", lautete noch Binningers klarste Aussage an diesem Abend. Er sah sich damit einer Meinung mit dem amerikanischen Politologen Jackson Janes, der so recht nicht an die Wirtschaftsspionage seiner Landsleute glauben will. Als gebe es keine Indizien und Hinweise auf krumme Touren beim BND!
Kein nüchterner Blick auf Geheimdienste möglich
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So läuft zurzeit bei uns die Debatte um die BND-Affäre: Brachial-Skandalisierung auf der einen Seite, Herunterspielen auf der anderen. Auf der Strecke bleibt in der Debatte das, was am dringendsten geboten wäre: ein ebenso nüchterner wie kritischer Blick auf das Treiben der deutschen Geheimdienste. Was ist sicherheitspolitisch geboten, was verfassungsrechtlich verboten und was ist nicht mehr wechselseitige Beschäftigungstherapie von Schlapphüten, deren riesige Behördenapparate mit Milliarden gepampert werden? Doch dieser nüchtern-kritische Ansatz ist in Deutschland, dem Paradies für aufgeregte Debatten, derzeit nicht mehrheitsfähig.
Und so stehen die Chancen gar nicht so schlecht, dass man beim BND den Kopf einzieht, bis sich der Staub wieder gelegt hat - und dann so weiter macht wie bisher, auch wenn es vielleicht das eine oder andere personelle Bauernopfer geben wird. Und die NSA, da muss man kein Experte sein, lässt sich von der deutschen Debatte ohnehin nicht beeindrucken. Das hat sich nach der Illner-Runde bestimmt nicht geändert.