Köln/Frankfurt. . Das Doku-Drama „Meine Tochter Anne Frank“ ist weithin dröge. Dass der ARD-Film dennoch sehenswert ist, verdankt er einer grandiosen Jung-Schauspielerin.

Anne Frank hatte Schriftstellerin werden wollen. Die mit 15 im KZ ermordete Jüdin durfte nicht erleben, dass sie ihr Ziel erreicht hat. Ihre Tagebücher überdauerten wie durch ein Wunder den Vernichtungswillen der Nazis und ihrer Helfer. Beeindruckend beschreiben sie Verfolgung, Versteck und Verrat einer jüdischen Familie aus dem Blickwinkel eines feinfühligen Mädchens mit großem Sprachtalent. Es ist peinlich, dass erst 70 Jahre nach Kriegsende ein deutscher Film zustande kam: „Meine Tochter Anne Frank“.

ARD und ZDF hatten sich um die Verfilmung der Tagebücher einen bizarren Wettkampf geliefert. TV-Produzent Oliver Berben hatte mit großer Geste einen Film für das Zweite angekündigt. Allerdings wollte er die Zustimmung der Angehörigen von Anne Frank umgehen. Der Film sollte ausgerechnet die wichtigste Phase im Leben der Frankfurterin ausblenden: die Zeit im Amsterdamer Versteck. Das Projekt scheiterte.

Zusammenhalt wie Bedrohung bestimmte ihr Leben

Stattdessen kam ein mehrfach ausgezeichneter Experte für Doku-Dramen zum Zug: Regisseur Raymond Ley. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Hannah schrieb Ley im Auftrag von HR und WDR das Drehbuch über die letzten beiden Jahre von Anne Frank im Hinterhaus-Versteck. Sie lebte mit ihrer Familie sowie der Familie van Pels und dem Zahnarzt Fritz Pfeffer (Stefan Kurt) in drangvoller Enge. Bis zu ihrer Verhaftung im August 1944 waren ihr Leben in gleichem Maß bestimmt von Zusammenhalt und Unterstützung wie von Bedrohung und Verfolgung.

Der Titel des 90-Minüters verspricht, die Geschichte des Mädchens aus der Perspektive ihres Vaters Otto (Götz Schubert) zu erzählen. Das stimmt nur bedingt.

Eiskalter Bürokrat des Todes

Vielmehr schildern Ley und Ley die Tragödie aus verschiedenen Perspektiven. Vor allem Anne Frank trägt den Film. Natürlich spielt auch ihr Vater als wichtigste Bezugsperson eine große Rolle. Dazu kommt ein niederländischer Journalist (Axel Milberg), der Anfang der 60er Karl Josef Silberbauer befragt, der die acht Versteckten verhaftete. Felix Römer verkörpert den Gestapo-Mann als eiskalten Bürokraten des Todes.

Der Film zeigt die Möglichkeiten des Genres Doku-Drama auf – und zugleich seine Grenzen. Das Plus des Films: Fakten-Treue und wahrhaftige Rekonstruktion von Szenen, denen Bilder fehlen. Nachteil: Information geht vor Emotion. Der Film nutzt das Potenzial an emotionalen Momenten des Anne-Frank-Dramas wenig. Er entwickelt keinen Sog, der das Publikum mit Anne Frank und ihren Leidensgenossen mitfühlen lässt – allein deswegen, weil immer wieder analytische Kommentare von Betroffenen und Zeitzeugen eingestreut sind.

Ein Teenie – mal lebensfroh, mal schnippisch

Dazu kommt, dass Anne Franks Tagebuch überhaupt schwer verfilmbar ist. Die 14-Jährige beließ es nicht bei der Beschreibung des Offensichtlichen. Weit mehr Raum nehmen Gedanken und Gefühle ein. Der Film behilft sich notdürftig, in dem er vielfach Tagebuchtexte aus dem Off vortragen lässt.

Dass der Film dennoch in Erinnerung bleibt, ist Mala Emde in der Hauptrolle zu verdanken. Die erst 17-jährige Frankfurterin spielt Anne Frank als Teenie – nicht mehr Mädchen und noch nicht Frau. Sie erlaubt einen lebensnahen Blick in die Seelenwelt einer 14-Jährigen – mal schnippisch und mal lebensfroh, mal altklug und schließlich einfach nur liebesbedürftig.

Fazit: Herzerfrischende Mala Emde trägt drögen Film.

ARD, Mittwoch, 18. Februar, 20.15 Uhr