Bremen. Das Debüt der Skandalbuchautorin ("Feuchtgebiete") und früher bei MTV rotzfrech auftretenden Moderatorin Charlotte Roche bei der Talkshow "3 nach 9" blieb weitgehend harmlos: Keine provokanten Sprüche, keine kecken Scherze - dafür viel Nervorsität und ein wütender Regisseur.

Nervös, Hilfe suchend und ein wenig scheu: Das «3 nach 9»-Debüt von «Feuchtgebiete»-Autorin Charlotte Roche (31) fiel am Freitagabend wesentlich braver aus, als von vielen Kritikern befürchtet. Bereits ihr Auftreten verriet, dass sie jedwedes Aufsehen vermeiden wollte: Das Haar war züchtig hochgesteckt, dazu ein Kleid in dezenten Tönen und ein breites Lächeln im Gesicht. Es schien fast so, als würde sich hier ein artiges Schulmädchen auf die Weihnachtsbescherung freuen.

Rauschen in der Medienwelt

Dabei durchzog bei ihrer Ernennung zur Nachfolgerin von Amelie Fried noch ein gewaltiges Rauschen die aufgerüttelte Medienwelt. Ausgerechnet diese vorlaute Göre, die bei Viva 2 vor laufenden Kameras auf den Boden rotzte und mit Lesereisen über «Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern» für Aufsehen sorgte, soll künftig neben dem charmanten Giovanni di Lorenzo durch Deutschlands dienstälteste Talkshow führen.

Selbst ernannte Sittenwächter beschworen bereits den Untergang des kulturellen Abendlandes. Doch dafür verhielt sich Roche am Freitag viel zu anständig. Für Aufruhr mussten andere sorgen. So ließ es sich ihr zweiter Gesprächspartner, der Theaterregisseur Christoph Schlingensief, nicht nehmen, aufgebracht gegen die bürgerlichen Parteien zu wettern. «Steinmeier ist die bessere Merkel», sprudelte es aus dem Aktionskünstler heraus. Dabei hatte die «3 nach 9»-Redaktion diesmal bewusst auf Politiker und politiknahe Gäste verzichtet, um sich so kurz vor der Bundestagswahl nicht in den Verdacht der Beeinflussung zu bringen.

Mit Schlingensief überfordert

Roche war mit dem wütenden Schlingensief spürbar überfordert. «Ich darf nicht mithetzen. Wir sind hier beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen», versuchte sie die Lage reichlich unglücklich zu entspannen. Erst die verbale Grätsche ihres souveränen Co-Gastgebers rettete die Situation. «Heute Abend werden nach vielen Jahren Pause alle Klischees über Radio Bremen mal wieder bestätigt», sprach di Lorenzo süffisant. Schlingensief kehrte daraufhin von der Politik zu seinen Afrikaprojekten zurück.

In Roches Debüt war deutlich zu spüren, wer im neuen Gespann die Zügel in den Händen hält und einen «3 nach 9»-Moderationsvorsprung von 20 Jahren mitbringt. Routiniert stellte di Lorenzo interessante Zwischenfragen. Zudem band er die anderen Talkgäste gekonnt in seine Einzelgespräche mit Starcellistin Sol Gabetta oder Rock 'n' Roller Peter Kraus mit ein.

Nervosität ins Gesicht geschrieben

Seine neue Partnerin hielt sich hingegen weitgehend zurück. Roche stand die Nervosität ins Gesicht geschrieben. Bereits in ihrem ersten Gespräch mit «Wickie»-Regisseur Michael Herbig, den sie mit «Na, Bully» begrüßte, gestand sie ihr Lampenfieber freimütig ein. Obwohl sich der Regisseur daraufhin als dankbarer Einstiegsgast erwies, fiel sie ihm häufig nervös ins Wort und schaute immer wieder Hilfe suchend zu di Lorenzo rüber.

Erst bei der Präsentation der schmissigen Rockband Kitty, Daisy & Lewis, die für sie quasi als Begrüßungsgeschenk aus London eingeflogen war, gewann die gebürtige Britin an Sicherheit. In ihrem letzten Gespräch mit dem Kabarettisten Steffen Möller sprudelten sogar erstmals kecke Sprüche aus ihr heraus. Und genau dafür wurde sie schließlich engagiert. Mit ihrer frischen Art soll sie die Jugend anlocken. Ganz so, wie es Barbara Schöneberger bei der NDR-Talkshow vormacht.

Von einer derartigen Anziehungskraft war bei Charlotte Roches Premiere indes noch wenig zu spüren. Dabei wurde sie für ihre unkonventionellen Interviews bereits 2004 mit einem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Doch schon am 9. Oktober kann sie beweisen, dass es besser und frecher geht. Bis dahin können ihre Kritiker erst einmal aufatmen. Viel Rauch um Roche. (ddp)