Nürnberg. Zwei Dinge fehlten beim letzten “Wetten, dass..?“: Gottschalk und das Feingefühl von Markus Lanz. Der Moderator hat den wichtigsten Moment vergeigt.
Seit Samstag, 23.56 Uhr, ist „Wetten, dass..?“ Fernsehgeschichte. Zum Schluss sang Der Graf: „Es ist Zeit zu gehen“. Der Schluss-Akkord hätte für die Show und ihren Moderator Markus Lanz nicht besser gewählt sein können. Natürlich durfte der Gastgeber überziehen wie sein legendärer Vorgänger, und er nutzte die Gelegenheit nach allen Regeln der Kunst. Eigentlich hätte die Show bereits um 22.45 Uhr beendet sein sollen. Wurde das Sitzfleisch der Fans belohnt?
Diesmal stimmte zumindest die Quote
Die 215. und letzte Ausgabe des ZDF-Unterhaltungsklassikers schalteten mit 9,27 Millionen Menschen noch einmal fast doppelt so viele Zuschauer ein wie bei den vergangenen Ausgaben. Der Marktanteil betrug 32,5 Prozent. Damit lag "Wetten, dass..?" deutlich besser als bei der vorletzten Sendung im November, als nur 5,49 Millionen eingeschaltet hatten. Die Show wird wegen mangelnder Resonanz nach knapp 34 Jahren eingestellt.
Einer war beim Finale nicht da und doch allgegenwärtig: Thomas Gottschalk. Nicht „Wetten, dass..?“-Erfinder Frank Elstner war das Gesicht in der 33-jährigen Geschichte der Show, nicht Wolfgang Lippert und erst recht nicht Markus Lanz. Vielmehr war es der lange Blonde. Egal ob Weltstars wie Michael Jackson kamen oder Michael Douglas – letztlich drehte sich alles um den ewig jungen Paradiesvogel, der so locker war wie keiner zuvor und noch keiner danach.
Ein "Nein" hätte Markus Lanz zum Helden gemacht
Thomas Gottschalk stand für die neue deutsche Lässigkeit, die die sprichwörtliche Steifheit früherer Generationen vergessen ließ. Mehr noch: Gottschalk und „Wetten, dass..?“ verschmolzen im Lauf der Zeit zu einer Einheit.
Und Markus Lanz? Der Gottschalk-Nachfolger konnte nur scheitern. Hätte er damals nein gesagt, wäre er als Held in die Fernsehgeschichte eingegangen. So wurde der Südtiroler mit beflissener Lockerheit und überzogenem Dauergrinsen zur tragischen Gestalt.
Die 215. und zugleich letzte Ausgabe von einst Europas erfolgreichster Show fasste Glanz und Elend der Samstagabend-Sause in fast vier Stunden noch einmal zusammen. Die vier Wetten bescherten Alltagsmenschen mit Talent zu verspieltem Top-Nonsens flüchtigen Ruhm. Wie üblich ging es um Artistik, Konzentrationsfähigkeit und das beliebte Duell Mensch gegen Maschine. Immerhin sorgte der Sehbehinderte Dave Janischak für einen ebenso überraschenden wie berührenden Moment, als er mit seinem Echo-System verdeutlichte, dass er mit den Ohren sehen kann. Sein Wettpate Ben Stiller besaß das Feingefühl, einen Sympathieträger nach Kräften zu unterstützen.
Lanz ließ mal wieder Feingefühl vermissen
Feingefühl, das Gastgeber Markus Lanz, wie so oft, vermissen ließ. Sein Bla-bla-Talk sei ihm verziehen. Wenig geschmackssicher war Lanz jedoch, dass er bei der Kinder-Wette einen unangenehm zweideutigen Dreh zuließ: Ein Junge musste Hunde erkennen an der Art, wie sie Leberwurst von seiner Hand abschlabberten.
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Außerdem missriet Lanz' Gespräch mit Samuel Koch. Er wollte von seinem querschnittgelähmten Gast wissen, ob er seinem fatalen Unfall in der Show vor knapp vier Jahren in Düsseldorf etwas Sinnhaftes abgewinnen könne. Koch musste sich fassen und entgegnete mit brüchiger Stimme, er versuche, der Situation, den „Unsinn zu nehmen“. Damit scheiterte ausgerechnet der Moment, den Lanz als emotionalen Höhepunkt der ebenso langen wie langatmigen Show eingeplant hatte.
Zuvor hatte Lanz vor allem Weißt-Du-noch-Momente im Klassentreffen-Modus abgeliefert. Viele Gäste – von den Fantastischen Vier über Ex-Kufen-Star Kati Witt bis zu Außenreporter Olli Dittrich – beschworen gegenseitig Kindheitserinnerungen an bunte Abende mit ihren Eltern bei Salzstangen und Limo.
Das letzte "Wetten, dass..?"
"Wetten, dass..?" verkam zur Dauer-Werbesendung
Zu ihren besten Zeiten ging die Rechnung der Show auf: Der Wanderzirkus „Wetten, dass..?“ kostete Millionen, aber zugleich beglückte er Millionen. Zum Schluss aber war die Show meist eine Dauerwerbe-Sendung für neue Musik-Tourneen, Kino-Filme und Comedy-Auftritte. Eine Show, die zudem beim Publikum von deutlich billigeren Krimis locker überflügelt wurde.
Fazit: Mit „Wetten, dass..?“ endete ein Klassiker, der einst wegweisende Familien-Unterhaltung war. Der Zeitpunkt indes kam zu spät. Perfekt gewesen wäre Gottschalks 60. Geburtstag.