Essen. Die Opernhäuser der Welt reißen sich um sie. Aber die US-Amerikanerin Joyce DiDonato nutzt ihren Erfolg auch für andere Projekte. Ihr neues Album „Stella di Napoli“ stellt sie im September in der Essener Philharmonie vor. Lars von der Gönna sprach mit der Mezzosopranistin.

Sie schätzt Respekt, aber keine Anbetung. Da liegt der Name nahe, den sich eine der größten Mezzosopranistinnen unserer Zeit gegeben hat: Yankee-Diva. Mit Joyce DiDonato sprach Lars von der Gönna zwei Wochen vor ihrem Essener Konzert über ihr neues Album „Stella di Napoli“, Divas und über jenen Erfolg, den man sich verdienen muss.

Glückwunsch zum neuen Album! Ihre Stimme ist in Topform. Und gerade da nehmen Sie lauter unbekannte Arien auf. Nutzen Sie Ihre Popularität gern für vergessene Schätze?

Joyce DiDonato: Ich halte es sogar für die Pflicht eines erfolgreichen Sängers, nicht nur Mainstream zu singen und das, was sich leicht verkauft, obwohl ich die berühmten Opern natürlich sehr liebe. Aber wenn wir das nur machen, ist Klassik ein Recycling-Betrieb. Möglichst unterschiedliche gute Musik zu den Menschen zu bringen, das ist es. In den Musikbibliotheken Europas schlummern grandiose Perlen, vor allem aus der Zeit des Barock und Belcanto. Wenn ich ein paar davon dem Publikum zurückbringen kann, ist das ein echtes Glück für mich.

„Die Stücke sind aufwühlend schön!“

Ihre Wiederentdeckungen von Donizetti, Rossini & Co erzählen ziemlich wilde Storys: Tapetentüren, Giftmorde, geheime Gärten. Kann man das noch ernst nehmen?

DiDonato: Ich weiß schon, was Sie meinen. Es gibt sicher Opern, bei denen man ein Auge zudrücken sollte, wenn die Handlung plötzlich noch einen rächenden Schwager aus dem Ärmel zieht. Klar, die Geschichten sind fantastisch, größer als das Leben. Aber das sind die Musik und die menschliche Stimme in ihren besten Momenten auch. Und die Stücke sind aufwühlend schön.

Sie sind eine moderne Frau, hat man da eigentlich kein Problem damit, Fräulein-Arien aus der Belcanto-Sparte „Verfolgte Unschuld“ zu singen?

DiDonato: Klar, die Gegenwart lässt uns diese Wesen erst einmal mit weit aufgerissenen Augen bestaunen. Aber gerade das, was diese Opern ausmacht, verkneifen wir uns als Menschen des 21. Jahrhunderts doch pausenlos: große Ideale zu haben, extreme Gefühle zu zeigen. Wenn ich mich als Sängerin diesen Frauenschicksalen nähere, sehe ich aber zugleich ganz viel Zeitloses: ausweglose Situationen, unversöhnliche Kriegsgegner oder dass man sich als Mensch machtlos fühlt. Da reicht es, die Nachrichten einzuschalten und zu sehen: Bis heute gibt es all das. Leider.

„Ich hab’ keine Angst vor harter Arbeit.“

Ihre Internet-Fans kennen Sie als „Yankee-Diva“. Den Namen haben Sie Ihrer Website selbst gegeben. Erklären Sie uns Deutschen mal, was so eine Lady ausmacht.

DiDonato: (lacht) Gute Frage! Tja, wir hier im Mittleren Westen sind ziemlich geerdete Leute. Das ist eben nicht New York oder Kalifornien. Man ist ziemlich praktisch hier. Ich hab’ ganz sicher keine Angst vor harter Arbeit, bin gern draußen...

Aber doch eine Diva...

DiDonato: Ganz bestimmt: große Bühne, Oper, Glamour, auch das ist mein Leben. Aber nicht dieser Typ Diva mit Hündchen auf dem Schoß, die alle anfaucht, wenn ihr Lieblingswasser nicht richtig temperiert ist. Ich hoffe, dass immer auch ein bisschen Yankee dabei ist, wenn ich in der Oper bin – und umgekehrt. Ich will nicht in zwei Welten leben. Die sollen sich ergänzen, bereichern.

„Das deutsche Publikum ist wahnsinnig kenntnisreich.“

Auch in der Essener Philharmonie hat man sie schon gefeiert. Wie erleben Sie das Publikum hier in good old Germany?

DiDonato: Lassen Sie es mich eine kühle Leidenschaft nennen. Die flippen nicht aus wie Südamerikaner, aber man spürt: Dieses Publikum ist gebildet, wahnsinnig kenntnisreich. Es weiß, was es hört. Ich liebe das: Es ist das reine Vergnügen zu spüren, wie es dir folgt, wenn du dein Bestes gibt. Jeder Schattierung der Stimme, jeder Nuance. In Deutschland muss man sich Beifall echt verdienen: Das gefällt mir. Ich will nichts umsonst haben!

„Ich war auf Trekkingtour zu den Berggorillas.“

Verraten Sie uns, wie ein Tag bei Joyce DiDonato ausschaut, bei dem die Oper völlig draußen bleibt.

DiDonato: Aber gerne (lacht), das sind allerdings vom Programm her zwei. Der eine: Zuhause in Kansas-City, ich denk’ nicht dran, das Apartment zu verlassen, drehe die Musik voll auf, tanze bei Kerzenlicht und schere mich nicht um den Rest der Welt. Der andere: Raus ins Abenteuer! Je exotischer, desto besser. Sporttauchen. Oder Safari. Wirklich! Anfang des Jahres habe ich eine Trekkingtour zu den Berggorillas in Ruanda gemacht. Abends ein fabelhaftes Essen, Wein....

Haben wir da schon wieder die zwei Seiten einer Yankee-Diva?

DiDonato: Ich glaube, Sie verstehen mich.

Am 29. September, 20 Uhr, präsentiert Joyce DiDonato in Essens Philharmonie ihr Belcanto-Programm „Stella di Napoli“. Karten ab 33€, Tel. 0201-8122200.

Wir verlosen für das Essener Konzert 2 x 2 Karten sowie zwei Exemplare der neuen CD. Wer gewinnen möchte, ruft bis kommenden Dienstag die Telefonnummer 01378 / 78 76 19 an (0,50€/Anruf aus dem dt. Festnetz, Mobilfunktarif höher). Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt.