Oberhausen. . Am Anfang war: noch nicht einmal die Sprechblase. Und am Ende gibt es kein Papier, auf dem die Strolche Streiche lernten. Von der Geburt des Comics bis zu seinen Zukunftsaussíchten erzählt die Ludwiggalerie mit „Streich auf Streich“ die Geschichte einer Kunst, die aus mehr besteht als Punkt, Komma und Strich.

Vor den Toren des Schlosses Oberhausen reckt seit jüngstem der überlebensgroße Wilhelm Busch die spitze Feder gen Himmel – die Inschrift der Skulptur lautet: „Das deutsche Volk hat auch Humor!“ Es ist ein Wilhelm Busch, wie Comiczeichner Ralf König ihn gezeichnet hat. In gewisser Weise stehen König und hunderte anderer deutsche Comiczeichner in direkter Nachfolge von Buschs „Max und Moritz“. Deren 150. Geburtstag nahm die Ludwiggalerie zum Anlass für die Ausstellung „Streich auf Streich – 150 Jahre deutschsprachiger Comic“.

Nun, über die Geburtsstunde des Comics darf man getrost streiten, denn allgemein wird „The Yellow Kid“ von Richard F. Outcault im Jahr 1895 als jener magische Moment angesehen. Allerdings: Auch wenn Max und Moritz, diese beiden, knapp 30 Jahre früher noch nicht in Sprechblasen redeten, sind alle Grundelemente schon bei Busch zu bewundern: Sequenzielles Erzählen, Speedlines etwa bei den Explosionen – und Soundwords („Ritze, ratze“, „Stopf, stopf, stopf!“). Sogar die größten Konkurrenten des „Yellow Kid“, nämlich die „Katzenjammer Kids“ von Rudolph Dirks lehnten sich ganz offen an „Max und Moritz“ an, wie die Ausstellung belegt. Kein Wunder, schließlich richteten sie sich mit ihrem englisch-deutschen Kauderwelsch an deutsche Immi­granten.

Ein Bogen in 15 Streichen wird gespannt

Die Schau spannt „in 15 Streichen“ den Bogen von den beiden Lausejungen in die Jetztzeit und erzählt dabei von einem Medium, das es zumindest in Deutschland lange Zeit nicht einfach hatte damit, als ernstzunehmende Kunstform anerkannt zu werden. Die meisten Comics wurden in Zeitungen, insbesondere den bunten Wochenendbeilagen, und Zeitschriften als unterhaltsame Dreingabe veröffentlicht – und erreichten auf diese Weise Millionenauflagen, wie der „Mecki“ in der Hörzu oder „Nick Knatterton“ in der Quick.

Während in den USA schon in den 1930ern regelmäßige eigenständige Comic-Hefte publiziert wurden, verzögerte sich durch die Nazizeit und den Zweiten Weltkrieg die Entwicklung in Deutschland. Erst mit der „Micky Maus“ erschien in Deutschland regelmäßig ein Heft, das ausschließlich Comics enthielt. Und auch wenn es ein US-Import war, trägt die deutsche „Micky Maus“ ein wenig Lokalkolorit, schließlich wurde sie in der Essener Girardet-Druckerei hergestellt. Und sie ebnete den Weg für deutsche Helden. „Fix & Foxi“ im Westen, „Digedags“ und „Abrafaxe“ im Osten. Auch die Serien von Hansrudi Wäscher mit Helden wie Sigurd, Tibor, Akim, Nick und Falk erlangten, wenn auch oft an amerikanische Vorbilder angelehnt, eine ungeahnte Popularität.

Vom alternativen Untergrund in die breite Masse

Jenen Comic-Künstlern übrigens, die in den 80er-Jahren den Weg aus dem alternativen Untergrund zur breiten Masse geschafft haben, hat sich die Ludwiggalerie schon mehrfach gewidmet: So gab es eigene Schauen für Walter Moers („Kleines Arschloch“), der mit der Umsetzung seiner Zamonien-Romane gerade zum Medium Comic zurückkehrt; oder eben für Ralf König, dessen Anfänge bei den „SchwulComix“ lagen und der längst seinen Weg in die Feuilletons gefunden hat. „In Deutschland gibt es meines Wissens kein anderes Museum, das sich in dieser Breite mit diesem Medium auseinandersetzt“, freut sich Comicexperte Martin Jurgeit, der die Ausstellung für das Wilhelm Busch Museum in Hannover konzipiert hat, sie in Oberhausen aber in erweiterter Form zeigen kann.

Natürlich haben die deutschen Comics längst den Sprung in die digitalen Medien geschafft, weshalb die Schau auch endet in einem Raum, in dem die Comics nicht mehr auf Papier, sondern auf Computerbildschirmen zu lesen sind, nicht mehr die klassische Seitenstruktur bedienen, sondern scheinbar endlos von oben nach unten heruntergerollt werden, wie etwa bei der „Wormworld Saga“ von Daniel Lieske. Dass es diesen aufwändig gestalteten Comic dann später doch auch in gedruckter Form gibt, ist ein beinahe ironischer Lausbubenstreich. Wilhelm Busch hätte das bestimmt gefallen.

Die Ausstellung „Streich auf Streich – 150 Jahre deutscher Comic seit Max und Moritz“ läuft vom 14. September 2014 bis 18. Januar ‘15. Eintritt: 8 €, ermäßigt: 4 €, Familien 12 €.

Öffnungszeiten: di-so 11-18 Uhr, mo geschlossen. Führungen 45 € mit ermäßigtem Eintritt für Gruppen von 4 € pro Person.
www.ludwiggalerie.de