Essen. . In der kommenden Woche beginnt der 38. Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb: Fünfzehn Stunden Lesungen und Diskussion stehen auf dem Programm, live übertragen von ORF und 3Sat. Ein medialer Wahnsinn in mehrfacher Hinsicht.

Spot an für die Literatur: Zum 38. Mal reisen in der kommenden Woche Autoren, Juroren, Kritiker und Literaturfans ins österreichische Klagenfurt: Fünfzehn Stunden Lesungen und Diskussion stehen auf dem Programm, live übertragen von ORF und 3Sat. Ein medialer Wahnsinn in mehrfacher Hinsicht, der im vergangenen Jahr beinahe den Sparzwängen des Senders zum Opfer gefallen wäre (und doch gerettet wurde), dessen altbackener Charme alljährlich neuen Anlass zu Spott gibt – und der doch so untrennbar zum Literaturbetrieb gehört wie die Geburtstagsparty einer alten Tante zum Familienkalender, an deren Ende wieder alle betrunken in der Ecke liegen. In diesem Fall: in der Eckkneipe.

Und wie bei einer Familienfeier weiß man schon, wie die Party laufen wird. Die österreichische Autorin Maja Haderlap, Preisträgerin von 2011, wird diesmal die Eröffnungsrede halten, eine von ziemlich vielen am ersten Abend. Danach wird die Reihenfolge ausgelost, in der die 14 Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in den kommenden drei Tagen lesen werden: Dazu werden sie einzeln aufgerufen, müssen auf die Bühne vor den Justiziar treten und dürfen einen Zettel aus dem Kästchen ziehen – wie die Schulkinder!

Autoren lauschen schweigend dem Urteil

Diese Behandlung der literarischen Nachwuchshoffnung dient vermutlich der Einstimmung aufs Folgende: der öffentlichen Verfrühstückung ihres Textes durch die Jury – Burkard Spinnen, Hubert Winkels, Meike Feßmann und Daniela Strigl gehören zu den Mitgliedern –, in deren Verlauf die Autoren für gewöhnlich schweigend einem Urteil lauschen, das oft vor allem der Selbstvergewisserung dient, dennoch aber über Wohl und Wehe der weiteren Karriere entscheiden kann. Denn wer einen Preis ergattert, darf sich des Verlagsvertrags sicher sein – wer verrissen wird, wird dieses Stigma womöglich nie wieder los. Zur Schizophrenie des Ganzen trägt bei, dass jedes Jury-Mitglied zwei Autoren ins Rennen schickt und in der ebenfalls öffentlichen Debatte darum, wer welchen Preis bekommt, zuweilen den einen zugunsten des anderen schnöde fallen lässt.

In der Geschichte des „Bewerbs“ gab es gegen diese Unbarmherzigkeit erstaunlich wenig Autorenproteste (ausgenommen: durch Abwesenheit). So erzählt man sich noch heute, wie Rainald Goetz sich mit der Rasierklinge die Stirn aufritzte – aber das war 1983!

Public Viewing, literarisch

Auch die jährlich wechselnde Studiogestaltung und die nachdrücklich lebendigen Gesten der Jury täuschen kaum darüber hinweg, dass dies alles ein prima Radioformat wäre. Zum Irrsinn der Show gehört auch, dass die aus den Großstädten ins Dorf angereisten Literaturkritiker in Klagenfurt das tun, was sie ebensogut daheim tun könnten: Sie sitzen vor dem Fernseher, gerne im Biergarten gleich vor dem völlig überfüllten Landesstudio – Public Viewing, literarisch.

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Das Wesentliche aber ist für die Fernsehzuschauer daheim unsichtbar: Das nachmittägliche Wettschwimmen im Wörthersee, der abendliche Empfang im Schlossgarten, das heitere Beisammensein im Biergarten des Lendhafens. Der Bachmannpreis ist gewissermaßen die Taufe für alle, die sich im Betrieb bewegen: Hier werden Allianzen geschmiedet, hier treffen Literaturagenten auf künftige Autoren, hier arbeiten Kritiker und Lektoren rotweintrinkend sehr hart an ihrer Karriere. Nichts, was nicht auch die Buchmessen auszeichnen würde: Nur sieht man sich in Klagenfurts Gassen immer noch einmal öfter.

Und was nützt das alles der Literatur? Der Klagenfurter Rummel bedeutet all’ seinen Teilnehmern: Das, was wir hier tun, ist wichtig. Derart beseelt sitzen sie dann die restlichen 360 Tage wieder im stillen Kämmerlein und schreiben, lektorieren, kritisieren.