Dalheim. . Von der Feindschaft zur freundlichen Umarmung: Das Klostermuseum Dalheim widmet dem Verhältnis von Kickern und Kirchen eine Studio-Ausstellung. Die bietet unter anderem schiedsrichternde Voodoo-Puppen, einen Maradona-Altar und ein Autogramm der “Hand Gottes“ sowie manche Einsicht.

Ob es etwas zu bedeuten hat, dass Jesus und seine Jünger die erste Erfolgs-Elf der Weltgeschichte waren? Spiegelt sich die Heilige Dreifaltigkeit im Schiedsrichtergespann? War nicht bei einer Weltmeisterschaft schon mal die „Hand Gottes“ im Spiel? Und sollte es wirklich ein Zufall sein, dass Atlético San Lorenzo de Almagro, die argentinische Lieblingsmannschaft von Papst Franziskus, beim ersten Spiel in den neuen Trikots mit Papstporträt drauf gewonnen hat – durch ein Eigentor der Gegner?

Predigende Trainer in der Halbzeit, Spielerlegenden, betende Fans, heilige Rasen und Pokale, die eine Monstranz sein könnten – die Schnittstellen zwischen Religion und Fußball sind so unübersehbar, dass sie nun, zur anstehenden Fußball-Großwallfahrt nach Brasilien, im sehenswerten LWL-Klostermuseum Dalheim ausgestellt werden. Für weniger klosterkundige Besucher: Das liegt kurz vor jenem Bischofssitz, der jüngst mit seinem SC 07 das „Wunder von Paderborn“ vollbrachte und in die Fußball-Bundesliga aufstieg.

Schalke-Bibel und BVB-Sarg

Wobei dieses Rasenwunder wahrscheinlich im Schatten des ungleich größeren von Bern bleiben wird, bei dem Radioreporter Herbert Zimmermann den deutschen Torwart Toni Turek nach einigen Glanzparaden zum „Fußballgott“ erhob – wenige Sekunden, nachdem er ihn einen „Teufelskerl“ genannt hatte. Bundespräsident Theodor Heuss tadelte den Begriff beim Empfang der „Helden von Bern“ in Berlin – und der NWDR schnitt die Passage auf den Erinnerungsschallplatten heraus.

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Nicht das erste Mal, dass es zwischen Fußball und Religion knirschte. Die Kirche versuchte Anfang des 20. Jahrhunderts durchaus noch, die unbändige Kraft des jungen Sports für sich einzuspannen in den Fußballvereinen der „Deutschen Jugendkraft“, kurz DJK. Doch allzu oft kollidierte der Spieltrieb der „Fußlümmelei“, wie es damals noch oft hieß, mit dem Gottesdienstbesuch am damals noch einzig freien Tag der Woche, dem Sonntag.

Gerade dieser Zwiespalt zwischen Sonntagspflicht (zu der auch noch die Christenlehre am Nachmittag gehörte) und Sonntagskick gehört zum Gründungsmythos eines gewissen Dortmunder Ballsportvereins. Der wurde schließlich 1909 von rebellischen Mitgliedern der Kirchengemeinde Heilige Dreifaltigkeit am Borsigplatz gegründet. Heute wird in der Kirche für die Erfolge des BVB gebetet.

Versteckte Kreuze

Am Fußball kommt auch die Kirche nicht mehr vorbei – dass Fans im Ruhrgebiet Predigtplakate mit der Aufschrift „An Jesus kommt keiner vorbei“ ergänzten mit „ . . . außer Stan Libuda“ (dem genialsten Dribbelkünstler der 60er-Jahre), war nur ein Vorzeichen. Heute gibt es die „Schalke-Bibel“ und Stadionkapellen, Hochzeiten im Mittelkreis, Vereinskreißsäle und -särge. Ihren Argwohn, dass es sich beim Fußball mit all seinen immer stärker gepflegten Ritualen um eine Ersatzreligion handeln könnte, bekämpfen die Kirchen offensiv, durch Umarmung.

Zur Ausstellung

Im Fußballhimmel und auf Erden. Was Fußball und Religion verbindet“. Bis 14. September. Die Ausstellung erweitert eine ähnliche Ausstellung des Diözesanmuseums Osnabrück aus dem Jahr 2010.

Kloster Dalheim, Am Kloster 9, Lichtenau (BAB 44, Abf. Lichtenau). Di-So 10-18 Uhr, Eintritt: 6 Euro. Katalogbuch: 14,90 €.

Ohnehin haben sich die Konfliktfelder verlagert: Ausgerechnet 2008 bei der EM im eigenen Land verzichtete die Schweizer Nationalmannschaft auf das traditionelle Kreuz der Eidgenossen-Fahne, um Moslems keine Gelegenheit zu geben, sich provoziert zu fühlen. Schließlich hatte Fenerbahce Istanbul nach einer Champions-League-Niederlage 2007 gegen Inter Mailand erwogen, gegen das traditionelle Georgskreuz auf den Trikots der Sieger zu protestieren.

Voodoo-Puppen

Und doch ist unter den rund 100 ausgestellten Kleinodien der Ausstellung in Dalheim so mancher schräge Auswuchs aus 100 Jahren Fußballgeschichte. Das Autogramm der „Hand Gottes“ und der dazugehörige Maradona-Altar mit einem Haar als Reliquie etwa, der an Diego Maradonas Ausrede zu seinem umstrittenen Handspiel-Tor bei der WM 1986 erinnert, der zufolge „ein bisschen mein Kopf und die Hand Gottes“ im Spiel gewesen sein soll. Aber auch westafrikanische Voodoo-Figuren, die mit Schnaps begossen oder am gegnerischen Tor vergraben werden, und der 13 Meter lange „Heldenteppich“ des Eintracht-Frankfurt-Fans Günter Keim (mit einem schnurrbarttragenden Jung-Jogi Löw, dessen „Glückspulli“ von der WM 2010 in Südafrika ebenfalls dabei ist). Der Glaube scheint allemal zu helfen, auch auf dem Platz. Was bekanntlich entscheidend ist.