Berlin. Las Vegas lässt grüßen: Der neue Berliner Friedrichstadt-Palast feiert an diesem Sonntag seinen 30. Geburtstag. Statt verstaubter DDR-Revues gibt es heute anspruchsvolle High-Tech-Shows - und ziemlich gute Zahlen. 2013 kamen mit mehr als eine halbe Million Menschen so viele Besucher wie noch nie.

"Klar wie Currysauce: Keine Berlinreise ohne Showbesuch im Friedrichstadt-Palast!" Das ist der Werbeslogan. Aber so ganz unrecht haben die Macher von Europas größtem Revue-Theater damit nicht.

Im vergangenen Jahr verzeichnete die einstige DDR-Institution einen Rekordbesuch von mehr als einer halben Million Menschen. Und nicht nur für Touristen, auch für alte Berliner ist ein Abend im "Palast" längst wieder eine Attraktion, auch wenn mancher Kritiker sich über zu viel brav schwingende Mädchenbeine mokiert.

An diesem Sonntag feiert das neue Haus am Berliner "Broadway" Friedrichstraße seinen 30. Geburtstag. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gehört als Hausherr schon von Amts wegen zu den ersten Gratulanten: "Der Friedrichstadt-Palast ist ein einzigartiges Markenzeichen der Unterhaltungsmetropole Berlin, ein wunderbares Revue-Theater, das seinesgleichen sucht."

Friedrichstadt-Palast ist letzter Großbau der DDR-Diktatur

1980 hatte das einst vom legendären Theatermacher Max Reinhardt gegründete Große Schauspielhaus, 1924 in Friedrichstadt-Palast umgetauft, schließen müssen - die 800 Eichenpfähle im feuchten Fundament hatten zu modern begonnen.

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Stattdessen ließen die DDR-Oberen auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Berliner Theaterviertel East End einen gigantischen Neubau errichten: Auf 7700 Quadratmetern Grundfläche entstand die größte Theaterbühne der Welt mit einem 20 Meter hohen Wasserfall, einem 225 Tonnen schweren, versenkbaren Wasserbecken und fast 2000 Sitzplätzen.

"Das Haus ist der letzte Großbau, der letzte steingewordene Zeuge der DDR-Diktatur. Fünf Jahre später fiel die Mauer", sagt Intendant und Geschäftsführer Berndt Schmidt in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Eröffnung 1984 mit einem Eklat

Bei der feierlichen Eröffnung am 27. April 1984 kam es zu einem Eklat: Der beliebte Entertainer O.F.Weidling nahm in seiner Moderation die DDR-Oberen so aufs Korn ("Genosse Mittag hat nicht gelacht"), dass sein Auftritt bei der TV-Wiederholung herausgeschnitten wurde und er selbst bis zu seinem Tod neun Monate später nicht mehr im Fernsehen auftreten durfte.

Bis heute verströmt das Haus, als "Sonderbau" in Plattenbauweise errichtet, den Charme sozialistischer Postmoderne. Hinter der verzierten Fassade mit ihren bunten Glasfenstern empfängt ein riesiges Foyer mit Tropfsteinlampen aus geätztem Glas und schmiedeeisern bewehrten Balustraden den Besucher.

Am Konzept der Shows hat sich dafür umso mehr verändert. Als Schmidt das Haus 2007 übernahm, stand es kurz vor dem Ruin. Mit aufgelaufenen Verlusten von fast zehn Millionen Euro konnte nur eine Finanzspritze von Berlin das Überleben sichern - das Land ist zu 100 Prozent Eigentümer.

"The Wyld" aufwendigste Show außerhalb von Las Vegas

Seither hat der Intendant einen konsequenten Modernisierungskurs verfolgt. "Die Revue, die ihre Hoch-Zeit in den 20er Jahren hatte, muss den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen", sagt der 50-jährige Kulturmanager. "Wir wollen Las Vegas nicht kopieren, sondern eine ganz eigene, typische Berliner Variante schaffen."

Schon die erste Show "Yma" brachte eine Trendwende. Mit dem derzeit laufenden Programm "Show Me" kletterte der Umsatz im vergangenen Jahr mit 26 Millionen Euro auf mehr als das Doppelte gegenüber 2007. Und für die neue Inszenierung "The Wyld", die am 23. Oktober Premiere feiert, wurden in den ersten drei Wochen bereits 25.000 Tickets verkauft.

"Mit Produktionskosten von mehr als 10 Millionen Euro wird es die weltweit aufwändigste Show außerhalb von Las Vegas", sagt Schmidt. "Als Regisseur, Autor und Designer konnten wir Manfred Thierry Mugler gewinnen, der auch schon für den Cirque du Soleil und Beyoncé gearbeitet hat."

"Ein Kessel Buntes" ist im Friedrichstadt-Palast Zuhause

Für Helga Molling, die seit 50 Jahren beim "Palast" arbeitet, hat das Theater trotz aller Veränderungen nichts von seinem Zauber verloren. Die 74-Jährige erinnert sich noch an die alten Zeiten, als der "Palast" gesellschaftliches Highlight des DDR-Lebens war.

Auch West-Promis wie Roland Kaiser, Mireille Mathieu, Roberto Blanco, Liza Minnelli und Udo Jürgens waren hier zu sehen. Fernsehshows wie die legendäre Familiensendung "Ein Kessel Buntes" entstanden, und ganze Generationen feierten ihre Jugendweihe.

"Für mich ist der Palast mein Zuhause", sagt Helga Molling, die einst als Tänzerin in der "längsten Girlreihe der Welt" anfing. Inzwischen ist sie im Ballettsaal nur noch Gast und arbeitet in der Kundenberatung. "Das ist wunderbar, da kann ich den Leuten erzählen, war für ein tolles Haus das hier ist." (dpa)