Bochum. Bochum und Opel waren untrennbar verbunden, bis im fernen Detroit entschieden wurde, den Standort zu schließen. Jetzt muss die Stadt nach einer neuen Identität suchen. Die Kunst soll sie dabei begleiten, findet Schauspielhaus-Intendant Anselm Weber.

Als Opel in Bochum zunehmend in die Krise rutschte, entstand am Schauspielhaus der Stadt die Idee für ein Stadt- und Kulturfestival. Mit Ausstellungen und Mitmach-Aktionen sind die Bochumer aufgerufen, die Zukunft ihrer Stadt nach Zechen und Autobau mitzugestalten. Über die Rolle von Kunst bei der Suche nach neuer Identität spricht Schauspielhaus-Intendant Anselm Weber im dpa-Interview.

Was bedeutet das Wegbrechen alter Industrien für die Region?

Anselm Weber: Mit dem Ende der Opelproduktion geht etwas zu Ende, was jahrzehntelang Identität gestiftet hat. Das Bewusstsein im Ruhrgebiet ist aber stark geprägt durch eine Tradition der Arbeiterschaft, in der schon Opa und Vater im Bergbau waren, in späteren Generationen dann eben bei Opel.

Auch interessant

Doch spätestens jetzt müssen wir, die wir hier leben, uns fragen: Was kommt danach? Es wird keine Monolithen wie den Bergbau oder den Autobau mehr geben, die diese Region nach vorne bringen. Man muss nach Alternativen suchen. Das wollen wir mit "This is not Detroit".

Und was bringt ein Kulturfest im öffentlichen Raum einem Opelaner, der nicht weiß, wie es weitergeht?

Weber: Unsere Auseinandersetzung als Schauspielhaus mit dem Thema hat ja schon begonnen, als der Arbeitskampf um Opel Bochum noch im Gange war. Gemeinsam mit dem Betriebsrat haben wir zum Beispiel ein großes Solidaritätsfest in der Innenstadt veranstaltet, mit 25.000 Menschen, kurz bevor in Detroit die Entscheidung fiel. Das war nach unserem Verständnis von Verantwortung als Stadttheater für diese Stadt selbstverständlich.

Natürlich können wir keinen einzigen industriellen Arbeitsplatz schaffen. Vielmehr stellen wir die Frage, inwieweit Kunst sich in den Prozess einmischen kann, wenn in einer Stadt die Frage nach der Zukunft neu gestellt werden muss.

Und wie kann die Kunst das?

Weber: Kunst kann eine Plattform bieten und die Diskussion anstoßen: Wer soll und will hier welche Zukunft gestalten? Wir stellen die Frage, was eigentlich die Stärken dieser Stadt sind. Viele wissen nicht, dass es in Bochum eine große Universität mit 40.000 Studenten und 5000 Beschäftigten gibt. Bochum ist nicht nur eine Stadt des verlorenen Autos, sondern auch eine Stadt für Bildung und Kultur.

Das Projekt ist also eine Art kulturelle Imagekampagne?

Weber: Es ist mehr als das. Eine Bewusstseinskampagne, die sich um die Frage der Mitgestaltung dreht. Dies ist eine Region, die schon das Recht hätte, von sich zu sagen, sie sei jahrelang benachteiligt worden.

Aber stattdessen versuchen wir, eine Diskussion anzustoßen, die möglicherweise einfach ein anderes Bild von ihr kreiert. Es geht darum, ein Bewusstsein darüber zu schaffen, dass dieser Raum nur dann lebenswert ist, wenn man daran teilnimmt. Die Kunst ist in dem Moment Begleiter und nicht etwas, das man von der Bühne herab verordnet bekommt. (dpa)