Essen. Fußball kennt keine Grenzen, heißt es oft, doch das stimmt nicht ganz: Kulturelle Grenzen kennt die beliebte Ballsportart sehr wohl. Autor Horst Evers stellt passend vor der Weltmeisterschaft in Brasilien die Besonderheiten der teilnehmenden Nationen vor.
Manche Bücher sind zum Erfolg verdammt, so was wie sichere Drei-Punkte-Siege. Bücher, die schon vom Konzept her so einfach, stark und einleuchtend sind, dass man allein wegen ihres populistischen Ansatzes nörgeln möchte – nur um sich dann zu fragen, warum nicht schon vorher jemand so etwas geschrieben hat. Das neue Buch von Horst Evers ist so eins. „Vom Mentalen her quasi Weltmeister“ heißt es. Und gibt vor eine Völkerkunde der Fußball-WM-Teilnehmerländer zu sein, unter besonderer Berücksichtigung nationaler Ballsport-Gepflogenheiten. Aber ist es das auch? Jein.
Denn Horst Evers, eigentlich Kabarettist und Lesekünstler, der vom Erfolg seiner eigenen Bücher und Kolumnensammlungen in den letzten Jahren ein wenig überrannt wurde, nimmt uns vor allem mit auf einen Parforceritt durch nationale Klischees, die durch übertriebene Häufung lustig werden. Beispiel gefällig? „Jeden Morgen nimmt sich der Mexikaner seinen Sombrero, die Gitarre und das mit Pailletten bestickte Bolérojäckchen, um mit seinen Mariachis so lange zu spielen, bis das beste Chili südlich des Rio Bravo auf dem Tisch steht. Dann sattelt er sein Pferd und reitet zum Volkswagenwerk, wo er in aller Seelenruhe Käfer baut.“
Es geht nicht in "landesspezifische Tiefen"
Auf solche Reihungen greift Evers immer dann zurück, wenn ihm ein bisschen der persönliche Bezug zum Land fehlt. Wenn es aber etwa um die Charakterisierung des Italieners geht, läuft Evers schon zu bissigerer Form auf: „Der männliche Italiener gilt zumindest in Italien als großer Liebhaber, weil er viele Haare auf der Brust hat. Na ja, na ja. Wenn an dieser Begründung etwas dran ist, dann kenne ich aber auch Männer, die von ihrem Rücken und Hintern her große Liebhaber sein müssten.“
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Die stärkeren Teile des Buches sind die, in denen Horst Evers aus seinem eigenen Leben berichtet, etwa von seinem Mitbewohner Rodrigo aus Costa Rica oder dessen Untermieter Pedro aus Ecuador – weshalb die WG-Erfahrung zur Charakterisierung von zwei Nationen ausreicht.
Natürlich hebt Evers dennoch oft genug auf Fußball ab, aber er geht eben nicht in landesspezifische Tiefen, sondern macht sich über Maradona, Ailton oder das Wembley-Tor lustig. Ganze 50 Seiten widmet er Ländern, die „Diesmal leider nicht dabei“ sind.
Besuch im Kleinhirnstadion
Das Ganze mag man als optimale WM-Vorbereitung begreifen, wenn man als Ahnungsloser beim Public Viewing mitreden will. Doch bezeichnenderweise sind die stärksten Texte, die Evers uns beschert, die aus der Art geschlagenen Dreingaben. So hat Evers seinen älteren Text „Das große Spiel“ überarbeitet, in dem er aus seinem täglichen inneren Konflikt ein Fußballspiel macht. Im Kleinhirnstadion von Everskopp kickt der „1. FC Horst, jetzt reiß Dich aber mal zusammen!“ gegen den „VFL Boarh, bin ich kaputt!“. Was daraus für ein innerliches Match entsteht, das ist tatsächlich eines Weltmeisterschafts-Finales würdig.
- Horst Evers: Vom Mentalen her quasi Weltmeister.
- Rowohlt
- 272 Seiten
- 18,95 Euro