Essen. Die Forschung wird nicht müde, ihm neue Namen zu geben. Dann wieder ist Shakespeare gar nicht Shakespeare sondern ein Autorenkollektiv seiner Zeit. Viel Lärm um Nichts? Jens Dirksen über einen Weltliteraten, dessen Leben die Phantasie bis heute beflügelt.
Shakespeare hat nach Gott am meisten geschaffen, sagte einst Alexandre Dumas, aber nicht einmal sein Geburtstag, dessen 450. Wiederkehr nach allgemeiner Übereinkunft am 23. April gefeiert wird, gehört zu den gesicherten Fakten über das Leben des William Shakespeare, der manchmal auch mit „Skakspere“ unterschrieb. Seine Taufe wurde im Register von Stratford am Avon für den 26. April 1564 vermerkt; da Kinder wegen der hohen Sterblichkeitsrate meist schon drei Tage nach der Geburt getauft wurden, einigte sich die Nachwelt auf den 23. April, der 52 Jahre später – und das immerhin nachweislich – zu seinem Todestag wurde.
Ein Kampfname, ein Pseudonym?
Über das, was in der Zeit dazwischen geschah, gibt es nur wenige schriftliche Belege. So musste noch jeder Biograf Shakespeares mit einer profunden Mischung aus Fantasie und Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Und manche, die nicht glauben mochten, dass der schauspielernde Sohn eines Handschuhmachers, so wissenssatte Dramen schreiben konnte, ohne je eine Universität besucht zu haben, verfielen auf die Behauptung, Shakespeare sei nur ein Kampfname, ein Pseudonym, hinter dem jemand anderer stecke – oder eine ganze Werkstatt von Autoren.
Auf den Spuren von William Shakespeare
Die einen heben die schriftstellerische Übermacht des Genies Shakespeare in den Himmel, die anderen möchten sie auf den Boden schnöder Tatsachen holen oder auf blaues Blut zurückführen. Bis heute erscheinen unablässig Bücher mit wilden Theorien, wer hinter Shakespeare stecken könnte. Die Forschung verzeichnet über 60 verschiedene Namen. Dabei gibt es keinen stichhaltigen Grund zu glauben, Shakespeare sei nicht Shakespeare.
Sein Vater unterschrieb mit drei Kreuzen
Ja, sein Vater pflegte mit drei Kreuzen zu unterschreiben, er musste als Ratsherr in Stratford aber lesen können. Die Kleinstadt hatte eine Lateinschule – ob der kleine William sie besucht hat? Höchstwahrscheinlich. Belege fehlen allerdings. Nach dem Taufeintrag wird „Shaxpere“, wie er in der nächsten Urkunde heißt, dann erst wieder durch eine Heiratslizenz am 27. November 1582 aktenkundig, da ist er also 18. Seine Braut Anne Hathaway, 26, war im dritten Monat schwanger. Ein halbes Jahr später kam ihre Tochter Susanna zur Welt, zwei Jahre später die Zwillinge Hamnet und Judith.
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Dann aber verliert sich für die nächsten sieben Jahre jede Spur von Shakespeare (die Forschung spricht von „verlorenen Jahren“) – bis dann 1592 sein Name in einer Polemik auftaucht, die gegen stückeschreibende Schauspieler wettert. Und das immerhin steht fest: Shakespeare war Schauspieler, Honorarabrechnungen weisen ihn als Mitglied der „Chamberlain’s Men“ aus, die später, nach der Thronbesteigung von Jakob I. zu den „King’s Men“ erhoben wurden; außerdem war Shakespeare Anteilseigner am „Globe“-Theater.
152 Sonette, 36 Dramen
Der Schauspieler, Theaterunternehmer und Dichter wird in den kommenden Jahren 152 großartige Sonette schreiben, mindestens 36 Dramen – und zwei Versepen nach Stoffen seines Lieblingsdichters Ovid in den Monaten, als mit den Theatern kein Geld zu verdienen war, weil sie wegen der Pestausbrüche in London geschlossen waren.
Shakespeare führte fünf Prozesse, beantragte ein Wappen, um als Mitglied der wohlhabenden Gentry zu gelten, kaufte Land und stattliche Häuser in seiner Heimatstadt Stratford, wo er am Ende sesshaft wurde, und änderte 1616 nach einem Skandal um den Ehemann seiner Tochter Judith, ein letztes Mal sein Testament, in dem er dann seiner Frau sein „zweitbestes Bett“ vermachte – es scheint keine reine Liebesehe gewesen zu sein – neben allem, was ihr ohnehin zustand.
Krebserkrankung der Tränendrüsen
Gestorben sein soll Shakespeare am Mikulicz-Syndrom, einer Krebserkrankung der Tränendrüsen. Das will die Mainzer Shakespeare-Expertin Hildegard Hammerschmidt-Hummel mit Hilfe des Bundeskriminalamts herausbekommen haben. Und zwar anhand seiner Totenmaske. Die aber wurde erst 1849 entdeckt, bei einem Trödelhändler in – Mainz. Wie sie da hinkam, ist, wie so vieles rund um das Leben und Sterben des William Shakespeare, Spekulation.