Oberhausen. . Des Projektions-Kunstwerk „320 Grad Licht“ von der Bremer Künstlergruppe „Urbanscreen“, die schon die Sydney Opera verschönerte, erzeugt in Oberhausen sehenswerte Raum-Illusionen. Es ist der Höhepunkt der Ausstellung „Der schöne Schein“, die 150 Ikonen der Weltkunst als Reproduktionen zeigt.

Sagenhafte 460.000 Besucher stürmten vor 20 Jahren den Oberhausener Gasometer, als dort die Ausstellung „Feuer und Flamme“ die Wirtschafts-, Alltags- und Heldengeschichte des Reviers erzählte. Und alle waren sich einig: Einen besseren Ort für diese Ausstellung als das 1929 in Betrieb genommene, so gerade eben vor dem Abriss gerettete Industriemonument konnte es nicht geben.

Seither hat die mit 117,5 Metern höchste Ausstellungshalle Europas über 5 Millionen Menschen angelockt und 13 Ausstellungen gesehen. Sie wurden dem runden, ungeheizten Mega-Raum eher abgetrotzt als von ihm ermöglicht.

Die beiden bekanntesten zeigen das Dilemma: Die „The Wall“-Installation von Christo im Jahr 1999 wirkte, obwohl die 13.000 aufeinandergestapelten Ölfässer 234 Tonnen wogen und 26 Meter hoch reichten, neben der großen Tonne wie eine aufgerissene Tüte Konfetti. Als Christo dagegen im letzten Jahr mit seinem „Big Air Package“ die Dimensionen des Gasometers aufnahm, um mit Licht und Luft zu spielen, profitierte der Riesen--Ballon vom Riesen-Raum.

20 Minuten in der Wiederholungsschleife

Und jetzt hat sich die Bremer Künstlergruppe Urbanscreen, die 2012 das Opernhaus von Sydney durch eine Lichtprojektion in flatternde Segel verwandelte, den Innenraum des Gasometers vorgeknöpft: „320 Grad Licht“ ist wiederum eine Projektion, weiß auf schwarz, in geometrischen Figuren, Vierecke, Striche und Punkte setzen sich in Bewegung, massenhaft, und bringen die Raumverhältnisse zum Tanzen.

Zur Ausstellung

„Der schöne Schein“. Gasometer Oberhausen, Arenastraße 11. Bis 30. Dezember, di-so und feiertags 10-18 Uhr. Katalog: Klartext Verlag, 19,95 Euro.

Eintritt: Erwachsene 9 Euro, erm. 6 Euro. Kombiticket mit der Ludwiggalerie Oberhausen: 11 Euro. Familien: 20 Euro.

Weitere Informationen: www.gasometer.de


Die 100 Meter hohen Gasometerwände wirken mal wie wehende Vorhänge, mal wie ein Glas mit steigendem Wasserpegel. Und immer im Mittelpunkt: Der „Deckel“, die Decke des Gasometers mit ihrer grünlichen Sonnenstrahlen-Symmetrie, untermalt von anheimelnden bis sphärischen Klängen.

Dabei stellten die Dimensionen des Raums selbst die erfahrenen Lichtkünstler von Urbanscreen vor ernsthafte Probleme (obwohl der Sponsor Epson seine besten Projektoren beisteuerte). Die etwa 20 Minuten lange Lichtinstallation läuft ab heute dauerhaft während der gesamten Öffnungszeiten des Gasometers und ist so staunenswert, dass man gut und gern auch eine Zwei-Stunden-Version gesehen hätte.

„320 Grad Licht“ ist in jeder Hinsicht der Höhepunkt der Ausstellung „Der schöne Schein“, die auf den unteren Ebenen des Industriedenkmals gezeigt wird. Sie versammelt gut 150 Ikonen der Weltkunst, von Nofretete bis Paul Gauguin, von der Himmelsscheibe von Nebra und Dürers Selbstbildnis bis zur Mona Lisa und Dalís Flüssiguhren – in vergrößerten Reproduktionen.

„Sie können hier einen Spaziergang durch die Kunstgeschichte unternehmen“, warb Gasometer-Chefin Jeanette Schmitz gestern, „ohne große Reisen unternehmen zu müssen.“ Schließlich stammen die wohlbekannten Werke aus dem Louvre, dem MoMA in New York, der Londoner Tate Gallery oder den Vatikan Museen.

Van Gogh galt als hässlich

Die Vergrößerung bekommt indes nicht allen Werken gut. Hieronymus Boschs großartige Malweise ist auf seinem „Garten der Lüste“ in XXL noch besser zu bewundern. Michelangelos „Erschaffung der Welt“ dagegen braucht ganz offenbar die weite Entfernung zwischen Kirchenbesucher und Kirchendecke, aus der Nähe wirkt sie fast comichaft.

Christos Big Air Package wird abgebaut

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Ihrem Titel wird die Ausstellung dagegen nur halb gerecht. Sie vermittelt zwar einen Eindruck davon, wie sehr sich die Vorstellungen der Menschen über die Jahrhunderte und Kontinente hinweg verändert haben.

Aber sie vergisst nicht nur allzu leicht, dass Bilder von Caspar David Friedrich oder van Gogh für ihre Zeitgenossen hässlich waren; sie widmet sich auch zu wenig der scheinhaften Seite der Kunst, die es überhaupt erst möglich macht, dass sie vom besseren Leben, vom Schönen erzählt, ohne zu lügen.