Hamburg. . „Konfetti“ und viel mehr: Markus Wiebusch, Sänger von Kettcar, bricht auf seinem Solo-Album eine Lanze für schwule Fußballprofis. Wir sprachen mit ihm über die Verlogenheit eines Männersports, über dumme Klischeevorstellungen und über ein festes Wertegerüst.

Mit gefühlvollen Gitarrensongs gelten Kettcar als Befindlichkeits-Chronisten der Indie-Szene. Sänger Marcus Wiebusch aber hat sich nun mit „Konfetti“ (ab 18.4.) auf den Solo-Pfad begeben. Und dabei zielt er viel mehr auf gesellschaftlich relevante Aussagen anstatt den Fans weitere Einblicke in sein Innenleben zu geben. Deshalb sprechsingt er, teils zu Elektro-Rhythmen. Im Zentrum seiner Positionsbestimmung steht dabei ein Song über das Outing eines aktiven, schwulen Fußballprofis.

Herr Wiebusch, warum haben Sie sich weitgehend von den persönlichen Songs verabschiedet?

Marcus Wiebusch: Als ich den Entschluss gefasst habe, mein Solo-Album zu machen, habe ich gespürt, dass ich eine andere Saite in mir zum Klingen bringen möchte und nicht diese lyrischen Metaphern-Songs, für die Kettcar ja auch steht. Sondern eher Songs, in denen ich mich sehr klar positioniere.

Darum erzählen Sie in „Der Tag wird kommen“, geschrieben vor dem Hitzlsperger-Outing, von einem schwulen Fußballprofi?

Auf den Straßen von Hamburg: Marcus Wiebusch.
Auf den Straßen von Hamburg: Marcus Wiebusch. © Andreas Hornoff

Eigentlich geht es in dem Song darum, dass wir im Profifußball heute kein Klima haben, in dem ein aktiver Profi sich traut, sich zu outen. Daran hat Hitzlsperger nichts geändert. Der Song ist im September letzten Jahres entstanden, als ich mit einem Sportjournalisten nach einem St. Pauli-Spiel ins Gespräch kam. Er wusste von mehreren homosexuellen Spielern zu berichten. Er erzählte mir, was für ein Höllenleben die führen. Das Thema hat mich nicht mehr losgelassen, weil ich diesen Zustand im Profisport unfassbar finde.

Waren Sie froh über Hitzlspergers Outing?

Natürlich war ich froh, als das Outing kam. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele Leute während meiner Recherchen steif und fest behauptet haben: Es gibt keine schwulen Bundesliga-Profis, sonst hätten die sich längst geoutet.

Solch ein Leugnen gibt es sonst nur in der katholischen Kirche, oder?

Wir haben es mit einer Fußballwelt zu tun, die stark auf archaische Männlichkeitsrituale Wert legt und auf eine bestimmte Form von Männlichkeit, in der Homosexualität vermeintlich nichts verloren hat. Aber das sind halt diese dummen Klischeevorstellungen.

Sie singen über den Fußballer: „Er hat es wirklich nicht verdient, von den Dümmsten der Dummen beurteilt zu werden“...

Ich habe lange mit dem Satz gerungen, weil er in seiner gnadenlosen Einfachheit klar zusammenfasst, was alle Bücher, Gespräche und Recherchen ergeben haben: Wir beurteilen Menschen aufgrund ihrer Sexualität. Und das ist falsch. Ich kriege viel Feuer für den Satz.

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Inwiefern?

Viel zu plakativ, populistisch, moralisierend, sagen einige. Der härteste Vorwurf, den man mir machen kann? Dass ich moralisiere! Natürlich moralisiere ich. Aber warum moralisiere ich? Guck dir doch die Dümmsten der Dummen an, die das Leben der Homosexuellen schlechter machen wollen. Deren Leben wird dadurch tatsächlich schlechter. Was mich von diesen Typen trennt? Das ist Moral. Ich habe Wertmaßstäbe, die überhaupt nicht zur Debatte stehen und an denen ich auch nicht rüttele, wenn ich sage: Sexualität von anderen Menschen geht mich nichts an, sie verdienen es nicht, danach beurteilt zu werden. Ist das moralisch? Ja.

Warum haben Sie so viel Sprechgesang auf Ihrer Platte?

Der Schritt zum Sprechgesang kam daher, dass ich inhaltlich starke Songs machen wollte und mich mit gesellschaftlichen Zuständen auseinandersetzen wollte. Wenn ich dann Texte schreibe, werden die gerne schon mal länger.

Warum nennen Sie das nicht Hip­Hop?

Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich HipHop mache. Aber ich liebe Hip­Hop. Ich finde, dass Marteria oder Casper zurzeit wahnsinnig spannende Sachen machen. Aber bei mir ist es Sprechgesang, wie ich ihn schon bei meiner alten Band But Alive verwendet habe.

  • Marcus Wiebuschs Solo-Album heißt „Konfetti“ (Grand Hotel van Cleef, ab 18.4.)). Live: 3. Mai in Köln, Stollwerck. Karten in unseren Leserläden, unter 0201/804-6060 unter www.ruhrticket.de