Essen. Woody Allens starkes Alterswerk „Blue Jasmine“ rückt Cate Blanchett als gefallene Upper-Class-Zicke in Oscar-Nähe. In starken Dialogen verschmelzen Komik und Dramatik auf meisterliche Art und lassen manch schwächere Arbeit des nimmermüden Filmemachers und Autors vergessen.

Man muss gelegentlich umdenken, wenn man sich einem neuen Film von Woody Allen aussetzt. Nicht immer gibt es Komödien, wie er sie zuletzt in Europa mit „Midnight in Paris“ oder „To Rome With Love“ gedreht hat.

Manchmal sollte man sich auch in Erinnerung rufen, dass dieser Regisseur es wie kaum ein anderer versteht, das Komische mit dem Tragischen zu verknüpfen. Gerade hier zeigt er sich als wahrer Könner, man denke nur an „Match Point“ oder „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“. Diese Klasse erreicht nun auch sein neues Werk „Blue Jasmine“ wieder, in dem eine großartige Cate Blanchett in Oscar-Nähe agiert.

Ein Dasein im goldenen Käfig

Als Jasmine verkörpert sie ein Luxusgeschöpf von Ehefrau, das plötzlich vor dem Nichts steht und diese Tatsache nicht akzeptieren kann. Schon die ersten Einstellungen des Films machen den Zuschauer mit dem Wesen dieser Frau vertraut. Ohne Unterbrechung redet sie da im Flugzeug auf ihre Sitznachbarin ein, breitet ihr ganzes Luxusleben aus, das nun abrupt ein Ende gefunden hat. Der schwerreiche Ehemann (Alec Baldwin), der Jasmine einen goldenen Käfig gebaut hat, wurde wegen Investment-Betrugs verhaftet, sein komplettes Vermögen eingezogen. Aber obwohl Jasmine keinen müden Heller mehr besitzt, fliegt sie wie selbstverständlich Erster Klasse nach San Francisco, um dort vorerst bei ihrer Adoptivschwester Ginger (Sally Hawkins) Zuflucht zu suchen.

Der gesellschaftliche Niedergang könnte schlimmer nicht sein. Gerade noch daheim in einem riesigen Penthouse in New Yorks Upper Eastside, findet Jasmine sich nun in der engen Mietwohnung einer Supermarkt-Kassiererin wieder, in der auch noch zwei nervige junge Neffen wohnen. Ihre Koffer dort unterzubringen ist das erste Problem, Gingers neuer Lover Chili (Bobby Cannavale) das zweite. Der ebenso temperamentvolle wie eifersüchtige Italo-Amerikaner wittert in dem hochnäsigen Luxusgeschöpf eine Bedrohung seiner Beziehung. Wie Recht er doch hat.

Eine Schwester, die bei der anderen unterschlüpft, weil sie sich mittellos in der Welt nicht mehr zurechtfindet, das klingt beinahe so, als hätten wir es hier mit Woody Allens Blick auf „Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams zu tun. Aber Jasmine mit ihren Selbstgesprächen ist nicht Blanche und Chili beileibe kein Stanley Kowalski, der sich von der Fremden erotisch angezogen fühlen würde. Hier hat der Regisseur sich beim Theater höchstens ein Gerüst ausgeliehen, um seine Geschichte zu erzählen. Die einer weltfremden, hilflosen Frau, die bei ihrer Schwester auf Menschen trifft, die sehr direkt und alles andere als begütert sind, die im Gegensatz zu ihr jedoch ein echtes Leben haben.

Ein zynisch wirkender Schluss

Jasmine hingegen wartet nur auf die nächste Chance, sich irgendwo anzuhängen. Die Gelegenheit scheint gekommen, als sich der reiche Diplomat Clyde (Peter Sarsgaard) um sie bemüht, der noch etwas Repräsentatives an seiner Seite für den Auslandsjob in Italien sucht. Doch Woody Allen schickt seine Protagonistin nicht ein zweites Mal in den goldenen Käfig, ein so falsches Happy-End klebt er seiner Jasmine nicht an. Da entlässt er die in ihrem Selbstwertgefühl nun schwer Angeschlagene lieber in einen sehr zynisch wirkenden Schluss.

„Blue Jasmine“ ist ein starkes Alterswerk dieses nimmermüden Autors und Filmemachers, das manche schwächere Arbeit vergessen macht. Die Dialoge verschmelzen Komik und Dramatik auf meisterliche Art. Und meisterlich muss man auch nennen, wie er den halben Film in Rückblenden auf Jasmines altes Leben erzählt.

Der wahre Trumpf aber ist Cate Blanchett, die hier die Rolle ihres Lebens spielt. Wie sie eine an sich wenig liebenswerte Borderline-Figur trotz alledem echt und menschlich erscheinen lässt, das hat echte Größe.