Berlin. . Ein Kulturstaatsminister für Deutschland sei so überflüssig wie ein Marineminister für die Schweiz, frotzelte die CSU einst. Spätestens seit Bernd Neumann ist die Stimmung anders. Zum Beginn der Koalitionsverhandlungen in Berlin hat Neumann nun angekündigt, keine dritte Amtszeit machen zu wollen.

Trotz seiner 71 Jahre hatte Kulturstaatsminister Bernd Neumann wohl noch lange mit einer dritten Amtszeit geliebäugelt. Umso überraschender kam jetzt der Entschluss des Bremer CDU-Politikers, einer neuen Bundesregierung nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Auch an den Koalitionsverhandlungen mit der SPD wird der gewiefte Taktiker nicht mehr teilnehmen.

"Bernd Neumann war ein Glücksfall für die deutsche Kulturpolitik", lobte der Deutsche Kulturrat am Mittwoch. Tatsächlich hat sich der gelernte Lehrer in seiner achtjährigen Amtszeit einen hervorragenden Ruf als Strippenzieher für Kunst und Kultur erarbeitet - die Schuhe für einen Nachfolger sind groß.

Als wenig wahrscheinlich gilt, dass eine neue schwarz-rote Bundesregierung der Forderung des Kulturrats nachkommt und das Amt zu einem eigenständigen Ministerium aufwertet. Dafür müssten andere Häuser Kompetenzen abgeben, etwa das Außenamt die Auswärtige Kulturpolitik, die Justiz das Medienrecht. Das mag kein Minister.

Weiter Staatssekretär oder eigenes Ministerium?

Zudem ließe sich nach der Debatte um das sechste Stellvertreteramt für den Bundestagspräsidenten eine neue "Pöstchenvermehrung" nur schwer vermitteln. Aller Voraussicht nach dürfte der Staatsminister für Kultur und Medien, wie er offiziell heißt, deshalb den Rang eines Staatssekretärs behalten und im Kanzleramt angesiedelt bleiben.

Dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sich einen "Sozi" in das schmucke Büro auf dem Dach ihres Hauses holt, halten Beobachter fast für ausgeschlossen. Damit dürfte das Amt erneut einem Unionspolitiker zufallen.

In den Startlöchern steht seit längerem Monika Grütters, die als Vorsitzende im Kulturausschuss des Bundestags mit den anstehenden Themen bestens vertraut ist. Die 51-Jährige war Spitzenkandidatin der CDU in Berlin und hatte wegen ihres fest von Linken abonnierten Wahlkreises im Osten lange um den Wiedereinzug ins Parlament gezittert, schaffte den Sprung dann aber locker über die Liste.

Allerdings: Grütters hat jetzt nicht die Federführung bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD. In der paritätisch geleiteten Arbeitsgruppe Kultur ist neben Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) für die Union CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Kretschmer der Chef. Grütters gehört dem 17-köpfigen Gremium zwar an, hat aber nicht das Sagen.

Ob das eine Vorentscheidung ist, bleibt abzuwarten. In jedem Fall hat auch der erst 38-jährige Kretschmer Erfahrung mit kulturpolitischen Themen, ist aber obendrein noch bekennender Internetfreak - ein bisher arg vernachlässigtes Thema.

Spekulation um Nachfolger oder Nachfolgerin

Ganz neu könnten die Karten gemischt werden, wenn die SPD sich mit ihrem traditionellen Lieblingsressort durchsetzt und das Bildungsministerium bekäme. Dann wäre die bisherige Ressortchefin Johanna Wanka, die Nachfolgerin der im Februar zurückgetretenen Unionsministerin Annette Schavan, schon nach wenigen Monaten wieder ohne Ministeramt.

Auch Wanka hat beste Voraussetzungen. Die 62-Jährige kann 13 Jahre als Landeskulturministerin vorweisen - zunächst in Brandenburg, dann in Niedersachsen. Weiterer Pluspunkt fürs Kabinettspuzzle: Sie ist eine Frau aus dem Osten.

Die Themen, die auf den Neuen oder die Neue warten, sind beachtlich: Die millionenschweren Bauprojekte des Bundes - allen voran das Berliner Schloss - müssen vorangetrieben werden, die Künstlersozialkasse ist in Gefahr, und das Urheberrecht bedarf längst einer Reform. Hier hatte sich Neumann am bisher FDP-geführten Justizministerium die Zähne ausgebissen.

Was den Staatsminister letztendlich bewogen hat, auf eine weitere Amtszeit zu verzichten, blieb am Mittwoch unklar. Seine derzeitige Krankheit habe mit der Entscheidung jedenfalls nichts zu tun, versicherte ein Sprecher. (dpa)