Berlin. In der ehemaligen Aussegnungshalle des stillgelegten Krematoriums Wedding in der Plantagenstraße in Berlin wird am kommenden Freitag eine Galerie für zeitgenössische Kunst eröffnet. Der Galerist Patrick Ebensperger hat die ausgefallene Immobilie vor einem Jahr zufällig im Internet entdeckt.
Diese Ecke von Berlin suchen weder Touristen auf, noch ist sie attraktiv für Neu-Berliner: Sie liegt im Stadtteil Wedding, einem Arbeiterkiez mit hohem Migrantenanteil. Die Flugzeuge fliegen beim Anflug auf Tegel so tief, dass Fußgänger die Typenbezeichnung am Rumpf lesen können.
Doch auf der Suche nach neuen Räumen sind die Kreativen der Hauptstadt selbst hier fündig geworden: Im ehemaligen Krematorium Wedding soll ein "Kulturquartier" entstehen. Die erste Galerie eröffnet am kommenden Freitag.
Der Galerist Patrick Ebensperger hat die ausgefallene Immobilie vor einem Jahr zufällig im Internet entdeckt. "Ich wartete auf meinen Flug, mir war langweilig", erzählt er. Beim Surfen stolperte er über das Angebot, einen Teil des Krematoriums zu erwerben. Ihn lockten die Größe und der Ort als solches. "Das Gebäude kommt durch die Nutzung in neues Fahrwasser", sagt der gebürtige Österreicher, der zuvor eine Galerie in Berlin-Mitte und in Graz betrieb.
Das erste Krematorium in Berlin
Acht Monate lang renovierte er die Westhalle des Krematoriums. Die gesamte Anlage wurde nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 1909 erbaut und 1912 als städtische Einrichtung eröffnet, nachdem der preußische Staat die Feuerbestattung ein Jahr zuvor erlaubt hatte. Es war das erste Krematorium in Berlin und das dritte in Preußen.
Das monumentale Hauptgebäude wirkt wie eine Mischung aus Pagode und Fabrikgebäude. Besonders auffällig ist die 18 Meter hohe Kuppel der Urnenhalle. Ebenspergers Galerie ist in einem Nebengebäude untergebracht, das in den dreißiger Jahren errichtet wurde. Seit 2001 ist das Krematorium stillgelegt.
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Der Hauptraum der Galerie ist die frühere Trauerhalle. Doch bis auf die Spitzbögen und eine Empore erinnert nichts an die einstige Nutzung. Die Sprossenfenster sind übertüncht, die Wände weiß und der Fußboden grau-braun gestrichen. In der Halle liegt eine große Skulptur, zwei Riesen-Blasebalge, die mit einem Schlauch verbunden sind. Daneben steht ein alter VW Golf, der während der Vernissage zerlegt werden soll.
Der Tod spielt immer eine Rolle
Ansonsten sind die Werke der zeitgenössischen Kunst, die Ebensperger zur Eröffnung präsentieren will, sparsam über die Räume verteilt. Das Verhältnis zwischen Ort und Kunst hat den Galeristen zuletzt viel beschäftigt. "Es darf zwischen beiden keine Konkurrenz entstehen", sagt er. Die frühere Nutzung der Räume schreckt ihn nicht. Hier sei ja niemand gestorben. "Außerdem spielt der Tod immer eine Rolle", sagt Ebensperger.
Sein Umzug ins Krematorium hat bei seinen Kunden und den von ihm vertretenen Künstlern gemischte Reaktionen hervorgerufen - "manche waren positiv, andere negativ", erzählt er. Einige wollten den Wechsel nach Wedding nicht mitmachen. "Auf jeden Fall wird von den Räumen Notiz genommen", sagt Ebensperger - was angesichts der starken Konkurrenz in der Berliner Galerie-Szene auf jeden Fall von Vorteil ist.
In Zukunft auch Events, Tagungen, Ausstellungen und Festivals
Die Galerie ist der erste Bauteil des ehemaligen Krematoriums, der wieder zu Leben erwacht. Die beiden Projektentwickler Frank Duske und Jörg Heitmann erwarben das gesamte Areal im Februar 2012. "Events, Tagungen, Ausstellungen und Festivals" sollen in dem "Kulturquartier" künftig stattfinden, wie Duske erklärt. "Es wird ein Leuchtturm in der Gegend sein." Büros für kreative Unternehmen sollen einziehen - "keine klassischen Investoren", wie er betont.
Doch zuvor muss saniert werden. Das Budget dafür ist klein. Die Renovierung soll behutsam vonstatten gehen, denn der Ort soll nicht zum Hochglanzquartier aufpoliert werden. Auch Ebensperger will seine Galerie nicht durch grelle Schilder bewerben. So will er der Umwelt signalisieren, dass er kein Fremdkörper im Kiez ist und - nebenbei - öffentlichkeitsscheuen VIP-Kunden den Galerie-Besuch erleichtern, indem sie unauffällig ins frühere Krematorium schlüpfen können. (afp)