Wuppertal. . Vier Jahre und mehr als 400 Vorstellungen nach dem überraschenden Krebstod von Pina Bausch steht das Tanztheater Wuppertal noch immer vor der heiklen Frage, wie die Zukunft des Hauses aussehen könnte. Der künstlerische Leiter Lutz Förster möchte die Kompanie verjüngen, das Geld dazu fehlt im jedoch. Auch neue Stücke von jungen Choreografen sollen kein Tabu sein.

Bei Pina Bausch war schon immer alles anders. In den Choreographien der legendären Tanzkünstlerin wird nicht nur getanzt, sondern auch gesprochen und gelacht. Und was in anderen Truppen unmöglich wäre, wurde bei Pina zum Gewinn: Auch 40-, 50- und sogar 60-Jährige tanzen in der Kompanie. Seit vier Jahren ist Pina Bausch tot. Viel Zeit zum Trauern hatte die Truppe nicht. Die Tänzer spielten seitdem mehr als 400 Vorstellungen weltweit und in der Heimat Wuppertal.

Ab September feiert das Tanztheater mit einem großen Jahresprogramm sein 40-jähriges Bestehen. Die Truppe hat sich seit Pinas überraschendem Krebstod im Juni 2009 nicht geschont und kraftraubende Tourneen gemeistert, die im kulturellen Beiprogramm der Olympischen Spiele in London vergangenes Jahr gipfelten.

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Fast könnte man den Eindruck gewinnen, die Truppe sei vor der existenziellen Frage geflüchtet, wie die künstlerische Zukunft ohne Pina aussehen wird. So erfolgreich die Choreographien der Tanzrevolutionärin sind, manche befürchten, die Kompanie könne zu einem "Pina-Bausch-Museum" erstarren.

Lutz Förster, Tänzer der ersten Stunde bei Pina und Professor an der Folkwang-Hochschule in Essen, steht als künstlerischer Leiter vor der Aufgabe, den notwendigen Erneuerungsprozess einzuleiten. Damit hat er vor allem das Alter der Tänzer im Blick. Förster ist einer von zwei 60-Jährigen in der Truppe, die noch aktiv tanzen.

Viele andere Theater fragen Pina-Choreographien an

Die Kompanie muss verjüngt werden, doch das Geld dafür fehlt. "Natürlich können wir nicht ein Dutzend neuer Tänzer engagieren. Das übersteigt auch die finanziellen Möglichkeiten von Stadt und Land", sagt Förster. Das ist die eine Sorge. Die zweite ist, dass junge Tänzer auch neue Choreografien tanzen wollen. "Wichtig ist auch, dass man über das Repertoire hinaus die Kompanie dadurch lebendig erhält, dass man neue Stücke mit jungen und arrivierten Choreographen macht." 2015/16 sei ein neues Stück geplant.

Ein Leben für den Tanz

Die Wuppertaler Choreographin Pina Bausch ist am Dienstagvormittag gestorben.
Die Wuppertaler Choreographin Pina Bausch ist am Dienstagvormittag gestorben. © ddp
Fünf Tage zuvor hatte sie die Diagnose...
Fünf Tage zuvor hatte sie die Diagnose... © ddp
... eines Krebsleidens bekommen.
... eines Krebsleidens bekommen. © AP
Pina Bausch wurde in Solingen geboren und entdeckte schon als Kind....
Pina Bausch wurde in Solingen geboren und entdeckte schon als Kind.... © ddp
... ihre Leidenschaft für den Tanz. Schon mit 14 Jahren begann sie ihre Tanzausbildung an der Essener Folkwangschule.
... ihre Leidenschaft für den Tanz. Schon mit 14 Jahren begann sie ihre Tanzausbildung an der Essener Folkwangschule. © A.Mangen / waz
Mit einem Stipendium konnte sie wenig später die Juilliard School of Music in New York besuchen.
Mit einem Stipendium konnte sie wenig später die Juilliard School of Music in New York besuchen. © WAZ
In den 1960er Jahren kam sie nach Essen zurück und ...
In den 1960er Jahren kam sie nach Essen zurück und ... © A.Mangen / waz
... schuf ihre ersten Choreographien.
... schuf ihre ersten Choreographien. © ddp
Die Tänzerin galt in der internationalen Fachwelt als bedeutendste Choreografin der Gegenwart.
Die Tänzerin galt in der internationalen Fachwelt als bedeutendste Choreografin der Gegenwart. © AFP
In Japan bekam sie 2007...
In Japan bekam sie 2007... © AFP
... den Kyoto-Preis für ihr Lebenswerk. Hier ist sie zu sehen mit der verstorbenen Jazz-Legende Oscar Peterson.
... den Kyoto-Preis für ihr Lebenswerk. Hier ist sie zu sehen mit der verstorbenen Jazz-Legende Oscar Peterson. © AFP
Über die Ehre, diesen Preis zu erhalten....
Über die Ehre, diesen Preis zu erhalten.... © AFP
... sei sie tief berührt, sagte Bausch vor zwei Jahren.
... sei sie tief berührt, sagte Bausch vor zwei Jahren. © ddp
Bausch experimentierte in Choreographien stark und brach...
Bausch experimentierte in Choreographien stark und brach... © A.Mangen / waz
... mit den traditionellen Formen.
... mit den traditionellen Formen. © AP
Sie wurde zur wegweisenden Figur des modernen Tanztheaters.
Sie wurde zur wegweisenden Figur des modernen Tanztheaters. © AP
Auch das Bühnenbild war der Tänzerin sehr wichtig.
Auch das Bühnenbild war der Tänzerin sehr wichtig. © Ingo Otto
Das Museum Bochum zeigte im vergangenen Jahr die Ausstellung
Das Museum Bochum zeigte im vergangenen Jahr die Ausstellung "räume träume"... © Ingo Otto
... mit Bühnenbildern von Pina Bausch.
... mit Bühnenbildern von Pina Bausch. © Ingo Otto
In ihrer Heimatstadt Wuppertal wurde sie in den 1970er Jahren Chefin...
In ihrer Heimatstadt Wuppertal wurde sie in den 1970er Jahren Chefin... © NRZ_Kai Kitschenberg
... des damals neu gegründeten Tanztheaters. Noch am vorletzten Sonntag hatte sie mit ihren Tänzern im Wuppertaler Opernhaus auf der Bühne gestanden.
... des damals neu gegründeten Tanztheaters. Noch am vorletzten Sonntag hatte sie mit ihren Tänzern im Wuppertaler Opernhaus auf der Bühne gestanden. © AP
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Förster wird nachdenklich und schweigt sehr lange, wenn man ihn nach der Zukunft der Kompanie fragt. Junge Tänzer werden gebraucht, doch auch die älteren, die am Ende ihrer Karriere stehen, brauchen eine Zukunft. Förster schwebt vor, dass andere Theater wie bereits kürzlich die Pariser Oper Pina-Choreographien übernehmen könnten, wenn die Pina-Bausch-Stiftung dem zustimmt. Die älteren Tänzer könnten dann helfen, die für klassische Ballett-Tänzer völlig ungewohnten Stücke einzustudieren. "Anfragen gibt es jede Menge", sagt Förster.

Förster will Schauspielhaus zu Tanzzentrum umbauen

Das Schicksal der Kompanie ist auch eng verbunden mit der hoch verschuldeten Stadt Wuppertal, die mit der Schließung des Schauspielhauses derzeit für Negativ-Schlagzeilen sorgt. Ihr Zugpferd Pina-Bausch-Tanztheater will die Stadt zwar weiter mit rund 2,5 Millionen Euro jährlich unterstützen. Doch für den notwendigen Erneuerungsprozess ist das zu wenig Geld.

Förster würde das vor sich hinrottende Schauspielhaus, dessen Renovierung die Stadt sich nicht mehr leisten kann, gern zu einem Tanzzentrum ausbauen. Schließlich hat die Kompanie schon seit 1980 in dem weißen Theaterbau aus den 60er Jahren getanzt. Für Förster ist das Schauspielhaus eine "ideale Tanzbühne". Der Umbau würde allerdings rund 40 Millionen Euro kosten.

Bühnenbilder für den Tanz

Ausstellung
Ausstellung "räume träume" im Museum Bochum. Bühnenbilder von Peter Pabst und Fotografien von Guy Delahaye. Fotos: Michael Korte © WAZ
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Wuppertal allein könnte das niemals stemmen. Die Hoffnungen liegen auf dem Bund. Denn die Stadtoberen schließen inzwischen auch einen Abriss des Schauspielhauses nicht aus. "Das Schauspielhaus ist auch ein Sinnbild für Wuppertal geworden", sagt Förster. "Ich glaube, es wäre kein gutes Zeichen für diese Stadt, wenn man es abreißen würde." (dpa)