Bonn. . „Die ewige Diva“: Die Bundeskunsthalle zeigt, wie sich das Bild von der sagenhaften Ägypterkönigin im Laufe der Jahrhunderte wandelte. Dem kommt zugute, dass es nicht vieles gibt, was man sicher von ihr weiß – außer dass sie eine große (Haken-)Nase und ein arg spitzes Kinn hatte.

Plutarch fand sie fad, Cicero mochte sie gar nicht. Als Politikerin ist sie gescheitert, gestorben vermutlich durch Selbstmord; zeitgenössischen Reliefs zufolge hatte sie ein arg spitzes Kinn und eine ziemlich große (Haken-)Nase und war vermutlich nicht halb so schön wie Liz Taylor. Dennoch ist Kleopatra (69-30 v. Chr.), die Geliebte Cäsars und Marc Antons, zum Synonym für Klugheit, Liebreiz und weibliche Verführungskunst geworden, und Künstler verewigen sie seit 2000 Jahren – mal als Göttin, mal als Vamp, mal als Muse oder Meduse.

Wer und wie sie wirklich war, weiß niemand zu sagen. Und das will auch die nach „Karl V.“, „Dschingis Khan“ und „Napoleon“ vierte große Geschichts-Giganten-Mono-Schau in der Bonner Bundeskunsthalle nicht. Hier geht es nicht um die Lebensgeschichte der letzten Herrscherin Ägyptens, sondern darum, wie Geschichte gemacht, gemalt, gefilmt wird, um die Biographie eines Mythos: um „Kleopatra, die ewige Diva“.

Diese Ausstellung ist, wie Hausherr Rein Wolfs und seine Kuratorinnen akademisch sagen „hybrid, diachron, phänomenologisch“. Sie arbeitet also keine Daten und Fakten auf und ab, sondern geht mit einer unglaublichen Fülle an Perspektiven und Exponaten in die Vollen.

Hier verbrüdern sich Delacroix und Handsalben-Reklame, Hochkunst der Antike und Kleo-Kitsch, sehen wir Michelangelos feines Ideal-Porträt ebenso wie Michael Jacksons Huldigung an ihren legendären Glamour im Tanz-Clip von „Remember The Time“ von 1992. Aha: Jede Epoche recycelt sich ihre eigene Kleopatra. Und deren Bedeutung als Projektionsfläche für erotische, kulturelle oder politische Fantasien übersteigt ihre historische Bedeutung wie die Pyramiden den Niederrhein.

Das Römische Kaiserreich instrumentalisierte sie als Top-Trophäe des eigenen

Guido Cagnacci Die sterbende Kleopatra 1660–1663, Öl auf Leinwand © Pinacoteca di Brera, Mailand
Guido Cagnacci Die sterbende Kleopatra 1660–1663, Öl auf Leinwand © Pinacoteca di Brera, Mailand © Bundeskunsthalle

Gründungsmythos: Mit dem Fall der Ägypter-Dynastie war endgültig der Weg frei für Rom zur Weltmacht Nummer eins. Und ihr Feind Octavian, der spätere Kaiser Augustus, tat alles dafür, sie in Text und Bild als verschlagene, männermordende Hure zu diffamieren. Nun, er war der Sieger von Actium, er schrieb Geschichte.

Wiederentdeckt wurde Kleopatra in der Renaissance. Hier begegnet sie uns aber wundersam gewandelt als Abbild antiker Schönheit und Würde. Das letzte bisschen Teufelei, das in ihr noch stecken durfte und sie von einer Griechen-Göttin unterschied, war die allgegenwärtige tödliche Schlange, ein tragisches Accessoire.

Liz Taylor als Kleopatra.
Liz Taylor als Kleopatra. © Bundeskunsthalle

In der Barockzeit avancierte sie gar zur Lieblingsheldin der Epoche: Die Faszination von Überschwang und Überfluss ließen sich bei ihr geradezu ideal mit der anderen, dunklen Seite der damaligen Weltgemütsstimmung verknüpfen: Leben mit Tod, Eros mit Thanatos. Die Folge: Kleopatras, drall, rosa, mit Kosemündchen und Rokoko-Frisur auf Gemälden, Fresken und Wandteppichen.

Begeistert war man vor allem von orgiastischen Festmahlszenen und dem - vermutlich erfundenen - „Perlentrunk“; bei dem soll sie, um Marc Anton zu bespaßen, eine ihrer sündteuren Perlen in Essig aufgelöst und als dekadenten Cocktail geschlürft haben. Luxuria - Was für eine herrliche Sünde!

Von der "femme orientale" zur "femme fatale"

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als der Kontinent zu dampfen und zu stampfen beginnt, wird Kleopatra in Literatur und Kunst zum exotisch-erotischen Gegenbild: Angefacht von der Ägypten-Begeisterung nach Napoleons Feldzug kommen nun orientalisch-dekadente Kleopatras in Mode, prunkvoll, weltfremd und irgendwie auch ein bisschen unheimlich. Da ist der Schritt nicht weit von der „femme orientale“ zur „femme fatale“, die so anders ist als das tugendhafte Eheweib zu Hause. Und die ja nicht von ungefähr vergiftet im Lotterbett endete (wobei auch dies wohl ein Schauermärchen ist).

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Wer da noch nicht genug hat von Kleopatra, darf sich an etlichen exquisiten Fotos delektieren. Vor allem die Porträts der „Theatergöttinnen“ in ihren Shakespeare-Rollen sind ein Gedicht: Tilla Durieux und Katherine Hepburne, Sarah Bernhardt und Juli Dench - lauter Kleopatras, lasziv dahingegossen oder im Stress mit Marc Anton, göttlich! Natürlich wird auch Kleopatras Einfluss auf die Popkultur in Szene gesetzt. Da hätten sich jüngere Bundeskunsthallenbesucher sicher ein wenig mehr Michael und Madonna gewünscht.

Wer’s ruhiger mag, findet auf dem Dach der Halle einen „orientalischen Garten“, der mit Pflanzen, Klängen, Farben, Düften alle Sinne ansprechen möchte. Dort lässt sich in aller Ruhe darüber spekulieren, wie Kleopatra wohl im kommenden Jahrhundert wiederkehren mag: asiatisch, lesbisch, im Schlangenhaut-Kostüm?