Düsseldorf. . „Eine Florentinische Tragödie“ und „Der Zwerg“ von Alexander Zemlinsky (1871-1942) im Düsseldorfer Opernhaus – ein Wechselbad: Auf die Enttäuschung durch die von Regisseurin Barbara Klimo inzenierte „Tragödie“ folgt der augenöffnende „Zwerg“ in der Regie von Immo Karaman.
Die Rauchschwaden des Düsseldorfer „Tannhäuser“-Skandals sind verflogen, da irritiert die Deutsche Oper am Rhein mit einem Doppelabend zweier starker Kurzopern von Alexander Zemlinsky (1871-1942), der das Publikum in ein Wechselbad aus Belanglosigkeit und prickelndem Psycho-Drama stürzt.
Die Musik Zemlinskys, glühend und expressiv wie in den besten Werken von Schreker, Korngold und Richard Strauss, wird erst seit den 80er-Jahren ernsthaft zur Kenntnis genommen. Die Chance, die einstündige Oper „Eine florentinische Tragödie“ nach einer Vorlage von Oscar Wilde in ihrer packenden Dramatik zu erfassen, wurde in Düsseldorf schmählich vertan. Dabei ist die dramaturgische Linie des Einakters recht einfach gestrickt: In der erkalteten Beziehung zwischen dem Kaufmann Simone und seiner Gattin Bianca wendet sich die Gattin dem Sohn des Herzogs von Florenz zu. Simone ertappt das Paar, macht gute Miene zum bösen Spiel, setzt dabei aber Bardi, den Herzogssohn, immer stärker unter Druck, bis es zum Kampf zwischen den Rivalen kommt, der für Bardi tödlich endlich. Über dessen Leiche blüht das Eheleben neu auf.
Ablenkender optischer Firlefanz
Eine einfache Handlung, für die Regisseurin Barbara Klimo offenbar zu einfach. Anstatt die Spannungsschraube bis zum bitteren Ende mit bohrender Intensität wie ein Würgeeisen anzuziehen, löst sie sie immer wieder, indem sie das Psychogramm mit überflüssigem und ablenkendem optischem Firlefanz überfrachtet. Ein Profil erhalten die Figuren nicht, dafür sind sie in rastloser Bewegung, gehen an den falschen Stellen auf Distanz und werden durch einen rätselhaften Harlekin und ein ebenso fragwürdiges Kinopublikum aus dem Blickfeld des Betrachters gerückt. Von den verwirrenden Schrifteinblendungen und dem sehr mobilen Mobiliar, ganz zu schweigen. Barbara Klimo lässt nichts aus, womit sich eine Spannungskurve stören lässt. Ein totaler Reinfall.
So sehr man sich auf ein Wiedersehen mit dem ehemaligen Kapellmeister der Rheinoper und dem langjährigen Generalmusikdirektor der Duisburger Philharmoniker, Jonathan Darlington, gefreut haben mag, so enttäuschend klangen die grob aufspielenden Düsseldorfer Sinfoniker. Für vokale Feinheiten blieb da auf der Bühne kein Platz, zumal die Figuren schematisch bis zur Unkenntlichkeit verzerrt wurden. Anooshah Golesorkhi polterte als Simone stimmlich undifferenziert ohne hintergründige Dämonie oder intelligente Bösartigkeit durch die fein auskomponierte Partie. Corby Welch blieb als blasser Herzogssohn weit hinter seinen letzten Leistungen zurück. Auch Janja Vuletic konnte in diesem Umfeld der Bianca darstellerisch und gesanglich nur schwache Konturen verleihen.
Erheblich besser: "Der Zwerg"
Erheblich besser ging es nach der Pause mit Zemlinkys zweiter Wilde-Oper zu, „Der Zwerg“. Mit Immo Karaman war nach dessen großen Britten-Erfolgen ein hochmusikalischer Perfektionist am Werk, der die skurrile Beziehung zwischen dem hässlichen Zwerg und der schönen Prinzessin Clara mit der nötigen Sensibilität, Intensität und einem präzis dosierten Zeitgefühl zu einem ergreifenden Ende von zarter Trauer führte. Karaman entblößt die scheinbar sichere Wahrnehmungsfähigkeit der Menschen als trügerische Illusion.
Alle Figuren sehen sich in ihrer Vorstellung selbst als schön, die anderen als hässlich oder als noch schöner. Bei Karaman sehen wir keine Miss Worlds und keine Monster, sondern Menschen, die erst nach einem schmerzhaften Prozess in der Lage sind, sich und ihre Mitmenschen richtig einzuschätzen. Selbst der Spiegel, der dem Zwerg letztlich die Maske der Illusion vom Gesicht reißt, verliert seine eindeutige Ausdrucksgewalt. In ihrem Spiegelbild sieht Donna Clara immer wieder ihre Zofe Ghita.
Abend mit Qualitätsschwankungen
Ob das Ganze in ein Mädchenpensionat angesiedelt werden muss, diese Frage ist belanglos und stört die Stringenz der Inszenierung nicht im Geringsten.
In diesem Umfeld wirkten die Sänger erheblich befreiter und intensiver als in der vorherigen „Tragödie“. Raymond Very, der schon in „Billy Budd“ glänzte, geht mit der Titelrolle so behutsam fein und zerbrechlich um wie ein Goldschmied mit seinem empfindlichen Material. Kongenial Sylvia Hamvasi als Prinzessin ohne klischeehafte Überdrehungen: ein verwöhntes, letztlich aber überfordertes und einsames Mädchen auf der Suche nach sich selbst und ihrem Glück. Nahtlos passen sich Anke Krabbe als Zofe Ghita und Stefan Heidemann als gouvernantenhafter Don Esteban dem Niveau an. Und auch Jonathan Darlington schlägt hier erheblich differenzierte Töne an.
Ein Abend mit extremen Qualitätsschwankungen, der letztlich glücklich endet.
Die nächsten Aufführungen im Düsseldorfer Opernhaus: am 22., 28. und 30. Juni sowie am 6., 13., 16., 19. und 21. Juli (Infos: www.operamrhein.de.)