London. Das Victoria & Albert Museum in London lässt das Lebenswerk des Popstars Revue passieren. Der bewusst unvollständige Titel der Ausstellung „David Bowie is“ lässt sich gut ergänzen mit: - vor allem ein Kontrollfreak. Der Mensch hinter den 1001 Kostümen aber bleibt unfassbar.
Willkommen im Arbeitshirn des Kreativ-Chamäleons David Bowie: Seit Samstag ächzt das Victoria & Albert Museum unter dem Besucheransturm seiner jüngsten Ausstellung. Anhand privater Erinnerungsstücke aus dem Archiv des Stars dokumentiert die Schau den Aufstieg des Teenagers aus der fantasiefreien Ödnis Londoner Vororte zum lebenden Gesamtkunstwerk. Den echten Bowie kriegt man trotzdem nicht zu fassen.
Der bewusst unvollständige Titel der Ausstellung „David Bowie is“ lässt sich gut ergänzen mit: - vor allem ein Kontrollfreak. Denn angesichts des Wustes an handschriftlichen Songtexten, Plänen und Skizzen, etwa für die Bühnenchoreographie der Station-To-Station-Tour 1976, zeigt sich der erstaunlich detailversessene Perfektionist in Bowie. Nur hier, inmitten der 300 Exponate aus seinem Leben, will der 66-Jährige paradoxerweise nicht mitgemischt haben. „Wir durften uns frei in seinem Archiv bedienen, aber haben David nie zu Gesicht bekommen oder die Ausstellung mit ihm besprechen können“, erklärt Kurator Geoffrey March.
Teilchenbeschleuniger
Bowie wäre nicht Bowie, wenn er seine neue, museale Phase nach Herz-OP und zehn Jahren Stille nicht wenigstens mit einem perfekt getimten Soundtrack untermalen würde. Das Album „The Next Day“ hat es just zur Ausstellungseröffnung in die britischen Charts ganz nach oben geschafft. So eine Punktlandung hätte man sich auch vom V&A gewünscht, dessen Kuratoren über zwei Jahre die Schätze in Bowies Archiv durchkämmt haben.
Viele Stücke sind zuvor nie öffentlich, seine Bühnenoutfits selten so nah zu sehen gewesen wie in der Londoner Ausstellung. Spektakuläres, wie das aufwendige Pierrot-Kostüm aus dem Musikvideo „Ashes to Ashes“, gehört ebenso dazu wie manches sentimentale Relikt – so etwa die Haustürschlüssel von Bowies Berliner Wohnung, in der er sich 1977 nach seiner Kokainabhängigkeit neu justierte. Selbst Kosmetiktücher mit Lippenstiftabdrücken aus der rebellischen, bisexuellen Glamour-Rock-Phase des Multi-Genies dürfen bestaunt werden.
Gerade hier liegt die Stärke der aktuellen Bowie-Retrospektive: Die Kollision des jungen, unverschämten Teilchenbeschleunigers mit einer behäbigen Gesellschaft wird wunderbar deutlich, etwa an Tonbandaufzeichnungen der BBC, die sich einst wunderte, „warum diesem bizarren, selbstkonstruierten Freak die Mädchen zu Füßen fallen.“ Selbst 20 Jahre später, 1995, schaffte Bowie es noch, zu provozieren, indem er die Bitte des blumigen Lifestyle-Labels Laura Ashley um ein hübsches Tapetendesign mit einer Kollage nackter Männer parierte. Über die wohl einzige zensierte Tapete der Welt kann man sich ebenfalls im V&A amüsieren. Seine lebenslange, künstlerische Unbeirrbarkeit im Angesicht sumpfiger Inspirationslosigkeit wird erst hier richtig deutlich.
Doch woher nimmt Bowie die Kraft zur ständigen Neuerfindung und Vision bei allen Beharrungskräften seiner Zeit? Der Rundgang lässt Besucher zwar auf die unfassbar schillernden Facetten des Phänomens Bowie blicken, bietet aber kaum einen Clou zu dem Menschen hinter diesen ständig wechselnden Kostümen an. Das V&A präsentiert lediglich die Kokons und Arbeitstechniken eines Mannes, der von sich selber sagt, er schlüpfe auf der Bühne gern in die Haut und Emotionen einer Kunstfigur, weil er sich abseits der Bühne wie ein Roboter fühle. David Robert Jones, so Bowies eigentlicher Name, bleibt indes ein Unbekannter.
Polizeifoto von 1976
Seine Jünger soll und wird dieses Manko freilich nicht abhalten. 50.000 Eintrittskarten waren schon vor Ausstellungsauftakt verkauft - ein historischer Rekord selbst für das renommierte V&A. Bereits Freitag formten sich beim exklusiven Preview für Mitglieder des Kulturbetriebs schon im U-Bahn-Tunnel der Station South Kensington lange Warteschlangen. Fehlt eigentlich nur noch einer. „Vielleicht kommt auch David Bowie mal vorbei“, hofft der Kurator, „er mag ja Museen.“
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Es gilt also, im V&A Ausschau zu halten nach einem Mann, der heutzutage gern unterwegs ist in einem elegant geschneiderten, dunklen Mantel, unter dessen messerscharfem Revers allein ein verrückter Schal verrät, dass er doch nicht zum Heer der Londoner Banker und Anwälte gehört. Gut möglich, dass man ihn findet vor seinem eigenen Polizeifoto, aufgenommen 1976. Damals wie heute wird man ihn erkennen an einem Blick, der nichts preisgibt und doch jede Grenzerfahrung unter der Sonne erahnen lässt.
Ausschau halten!
Seine Jünger wird das freilich nicht bremsen. 50 000 Karten waren schon vor Ausstellungsbeginn verkauft – ein Rekord selbst für das beliebte V&A. Am Freitag formten sich bei der Erstbesichtigung für Kultur-Promis schon im U-Bahn-Tunnel von South Kensington lange Warteschlangen. Fehlt nur noch einer: „Vielleicht kommt auch David Bowie mal vorbei“, hofft der Kurator, „er mag ja Museen.“
Es gilt also, im V&A Ausschau zu halten nach einem Mann, der heutzutage gern unterwegs ist in einem elegant geschneiderten, dunklen Mantel, unter dessen messerscharfem Revers allein ein verrückter Schal verrät, dass er doch nicht zum Heer der Londoner Banker und Anwälte gehört. Gut möglich, dass man ihn findet vor seinem eigenen Polizeifoto, aufgenommen 1976. Damals wie heute wird man ihn erkennen an einem Blick, der nichts preisgibt und doch jede Grenzerfahrung unter der Sonne erahnen lässt.