Essen. . Am Dienstag feiert Margarethe von Trottas Film über die politische Philosophin Hannah Arendt in der Essener „Lichtburg“ Deutschlandpremiere. Die Regisseurin im Gespräch über starke Frauen, Barbara Sukowa und Eichmann, Angela Merkel und das Rauchen.
Sie hat einst bei Rainer Werner Fassbinder gespielt und selbst als Regisseurin Filmgeschichte geschrieben. Für „Die bleierne Zeit“ gewann sie den Regiepreis in Venedig und bekam das Filmband in Gold, ebenso wie für „Rosa Luxemburg“. Für „Das Versprechen“ wurde Margarethe von Trotta für den Oscar nominiert. erhielt den Bayrischen Filmpreis. Nun präsentiert die Regisseurin, die einst mit Volker Schlöndorff verheiratet war, mit „Hannah Arendt“ ein Porträt jener Philosophin, die das Standardwerk über den Totalitarismus geschrieben hat. Einmal mehr spielt Barbara Sukowa die Hauptrolle.
Frau von Trotta, nach Rosa Luxemburg, den Ensslin-Schwestern und Hildegard von Bingen geht es nun um Hannah Arendt - woher rührt Ihre Schwäche für starke Frauen?
Margarethe von Trotta: Starke Frauen haben zum Glück ja auch Schwächen, sonst wäre die Sache sehr langweilig und kein spannender Stoff für das Kino. Für mich gehört Hannah Arendt zu den brillanten Frauen des 20. Jahrhunderts, das ich in meinem Filmen immer wieder beschrieben habe. Neben ihrem Buch über Eichmann ist ihre Abhandlung über den Totalitarismus eine bahnbrechende Beschreibung dieses Jahrhunderts. Trotz aller Faszination hat es einige Zeit gedauert, bis ich mich an diese Person herangewagt habe - ein Film über eine Denkerin liegt schließlich nicht auf der Hand.
Wie wichtig Wahrhaftigkeit bei der Darstellung einer realen Person?
von Trotta: Wahrhaftig kann man nur bis zu einem gewissen Grad sein, schließlich lassen sich alle Facetten einer Person nie vollständig abbilden, erst recht nicht, wenn man sie nie persönlich, sondern nur durch ihre Briefe und Erzählungen kennenlernt. Letztlich geht es um meine Wahrheit und darum, was mich an dieser Person interessiert.
Wie groß ist die Gefahr von Denkmalpflege bei einer Biografie?
von Trotta: Wir zeigen durchaus auch negative Seiten, etwa diese bisweilen rechthaberische Art von Arendt. Das hatte mich übrigens am Anfang an ihr gestört. Als ich dieses berühmte Gespräch von Günter Gaus mit ihr hörte, dachte ich: Mit dieser rechthaberischen Frau möchte ich lieber nichts zu tun haben. Erst als ich das Gespräch auf Video sah hat sich meine Meinung geändert. Da gibt es ein ungemein charmantes Lächeln, das sie sehr liebeswert und sympathisch erscheinen lässt.
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Wie haben Angehörige und Zeitzeugen auf das Projekt reagiert?
von Trotta: Mit der Nichte von Hannah Arendt kam ich leider erst nach Abschluss der Dreharbeiten in Kontakt. Dafür habe ich Lotte Köhler, ihre letzte Freundin, mehrfach in New York besucht. Nach anfänglichem Zögern und nachdem sie ‚Rosa Luxemburg’ gesehen hatte, war sie sehr aufgeschlossen und hat uns sehr unterstützt. Besonders erfreut war sie, dass Barbara Sukowa die Hauptrolle übernimmt:‚Darüber hätte sich Hannah sehr gefreut’ meinte sie einmal, weil sie ein so großer Fan der Luxemburg gewesen sei.
Sie drehen seit 30 Jahren mit Barbara Sukowa zusammen, wie sieht die Arbeit aus? Worüber gibt es noch Streit?
von Trotta: Dieses Jubiläum ist uns gar nicht ausgefallen. (lacht) Streit gibt es zwischen uns eigentlich nie, aber natürlich verschiedene Auffassungen, wie man einem Stoff näher kommt. Eitelkeiten oder Macht spielen dabei jedoch nie eine Rolle zwischen uns, es geht immer nur um die Figur. Ohne Barbara hätte ich diesen Film nicht gemacht. Ich brauchte eine Schauspielerin, der ich beim Denken zusehen kann. Das habe ich nur Barbara zugetraut.
Sie quälen Ihre Lieblingsdarstellerin mit reichlich Nikotin und machen sie zur Kettenraucherin in diesem Film...
von Trotta: Das stimmt, allerdings hat Arendt in Wirklichkeit noch viel mehr geraucht als wir es zeigen. Nach einer Vorführung in Israel kam ihr Neffe zu mir und sagte als erstes: ‚Hannah hat doch viel stärker geraucht!’. Tatsächlich ist sie bei einem Abendessen mit der Zigarette in der Hand gestorben, es gibt kaum ein Foto von ihr, auf dem sie ohne Zigarette zu sehen ist.
Warum haben Sie für die Gerichtsszenen mit Eichmann die Archivbilder verwendet?
von Trotta: Die ‚Banalität des Bösen’ kann man nur an der wirklichen Person Eichmann aufzeigen. Jeder Schauspieler würde den Blick eher verfälschen, anstatt zu schärfen. Als Zuschauer würde man seine Bravour möglicherweise bewundern, aber nicht so sehr die Mittelmäßigkeit dieses Mannes wahrnehmen, der keinen einzigen Satz grammatikalisch richtig formulieren konnte. Von dem man merkt, dass er nicht mitdenkt.
Ihre Art von politisch ambitionierten Kino scheint wie ausgestorben, fühlen Sie sich bisweilen als weiblicher Don Quichotte?
von Trotta: Als Don Quichotte fühlt man sich eigentlich immer, wenn man Filme macht - als Frau schon zweimal. Allerdings würde ich mich nicht als letzten Dinosaurier betrachten, der sich für das Denken interessiert: Anspruchsvolle Filme gibt es noch genügend auf der Welt. Spontan fällt mir zum Beispiel sofort Hans-Christian Schmid ein.
Ist das Filmemachen mittlerweile leichter geworden oder ist es schwieriger als am Anfang?
von Trotta: Leichter ist es überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Für diesen Film habe ich acht Jahre warten müssen, bis ich ihn drehen konnte. Dazwischen habe ich Fernsehen gemacht und zwei andere Filme dazwischen geschoben - das waren Arbeiten, um zu überleben.
Haben Sie eine Liste mit Frauen, die Sie noch porträtieren möchten?
von Trotta: So eine Liste hatte ich nie, die Projekte bei mir haben sich immer von selbst ergeben.
Könnte sich ein Film über die mächtige Frau Angela Merkel ergeben?
von Trotta: Nein, Frau Merkel ist ja noch am Leben. Außerdem interessieren mich Frauen nicht nur deshalb, weil sie mächtig sind. Mich interessieren Frauen dann, wenn sie etwas versucht haben oder weil sie sich ausgesetzt haben. Und dann will ich wissen, wie sie damit fertig werden.
Premiere in der Lichtburg
Was würden Sie Hannah Arendt heute fragen?
von Trotta: Da gäbe es einiges - aber ich bin mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt anhören würde!