Als Hannah Arendt 1928 mit 22 Jahren ihre philosophische Doktorarbeit über den Liebesbegriff des Kirchenvaters Augustinus schrieb, waren Frauen an deutschen Universitäten noch seltener, als sie es heute in Firmenvorständen sind. Aber Hannah Arendt hatte schon als Jugendliche Kants „Kritik der reinen Vernunft“ gelesen. Ihren akademischen Lehrern – den Philosophen Edmund Husserl und Karl Jaspers sowie dem Theologen Rudolf Bultmann – muss die Denkkraft und Willensstärke dieser Studentin aufgefallen sein; mit Martin Heidegger verband sie Mitte der 20er-Jahre gar eine Liaison – wenig später trieben die Nazis die Jüdin Arendt ins Exil, während Heidegger eine Universitäts-Karriere machte.

Hannah Arendt gelang das in den USA, sie gilt heute als Frau, die unter anderem den Begriff „Politische Theorie“ für das historisch und philosophisch orientierte Nachdenken über Gesellschaftssysteme geschärft hat. Ihrem frühzeitigen Bemühen, das Gemeinsame der beiden Unheils-Regime Hitlers und Stalins zu abstrahieren, entsprang ihre Untersuchung „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, die zum politiktheoretischen Standardwerk wurde und den Terror neben der ideologischen Gleichschaltung als Kriterium für den Totalitarismus herausstellte. In den alltäglichen Wortschatz ging Hannah Arendts Formulierung von der „Banalität des Bösen“ ein, als sie 1961 für den „New Yorker“ in Jerusalem den Prozess gegen Adolf Eichmann als Organisator des Holocausts beobachtete – und erschrocken war über die unbedarfte Beamtenmentalität Eichmanns.