Mülheim. . Es gibt in dieser Saison kaum ein Theater zwischen Dortmund und Düsseldorf, das den Abiturstoff „Kabale und Liebe“ nicht auf dem Spielplan hat. In Mülheim gibt es eine Fassung des Schiller-Dramas, die nicht nur ein wenig anders ist. Es darf auch gelacht werden.

Da werden sich die Studienräte aber ins Zeug legen müssen, um ihre Abiturienten wieder auf den Boden des Schillerschen Originaltextes zurückzuholen. Denn was der Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner Jo Fabian ihnen da jetzt im Theater an der Ruhr als „Kabale und Liebe“ anbietet, das ist ein Cocktail, der zuvorderst Spaß machen soll; dafür werden die Figuren verjuxt und die Antriebskräfte der Handlung so recht nicht erkennbar.

Bei Ferdinand herrscht das reine Nichts

Nehmen wir nur das aus verschiedenen Klassen stammende Liebespaar Ferdinand von Walter und Luise Miller, er der Sohn eines Kleinstaat-Präsidenten, sie die Tochter eines bürgerlichen Musikus – Verbindung unmöglich. Natürlich hegt Ferdinand echte Gefühle, die Zuneigung zu einem Mädchen aus dem Volke kommt ihm indes auch gelegen für seine gesellschaftliche Rebellion. Hier aber herrscht das reine Nichts. Boris Schwiebert wirkt in dieser Rolle schwer desinteressiert an einer Luise, die Gabriella Weber wie eine tumbe Bauernmagd anlegen muss. Er ziert sich vor jeder Berührung, das Beteuern seiner Zuneigung hat etwas Mechanisches. Luises Feststellung „Du willst mich einschläfern, Ferdinand“ trifft den Punkt.

Das gemeine Volk mag es erotisch

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Aber vielleicht soll das nur ein Zeichen seiner Herkunft sein, denn auch Ferdinands Präsidenten-Vater (Thomas Schweiberer) mag zwar Fische anfassen, schreckt aber selbst vor der Berührung seines Sohnes zurück. Das gemeine Volk hat da weniger Probleme: Mutter Miller (Marion Mainka) wälzt sich auf der Laufsteg-Bühne bei jeder Gelegenheit auf den Schoß ihres Gatten (Matthias Horn) und macht keinen Hehl daraus, was sie am liebsten möchte. Aber dann stört der umtriebige Schreiber Wurm (Marco Leibnitz) die Idylle, der einen Blick auf die ihm versprochene Luise werfen möchte. Ihn verwandelt die Regie in eine Art kalten Fisch, der häufig nach Luft ringt. Natürlich sind solch possierliche Einfälle ein Spaß, aber sie verstellen auch den Blick auf das Drama.

Allein eine wundersame Traumszene wie in Zeitlupe funktioniert vorzüglich. Da wird all das wahr, was man sich nur erträumen kann. Es gibt plötzlich keine Klassen mehr, Friedrich küsst lang und inniglich Luise, im Hintergrund schwebt zauberhaft ein weißer Heißluftballon. Warum danach gestorben werden muss, diese Antwort bleibt uns die Inszenierung schuldig. Dafür gibt es lautstark Rammsteins „Mein Herz brennt“. Hier klingt auch das nach reiner Behauptung.