Paris. . Ein Star fiel aus, eine Newcomerin startete durch. So ging es Khatia Buniatishvili einst beim Klavierfestival Ruhr. Längst ist die junge Georgierin selbst eine große Nummer auf den Piano-Podien der Welt. In Dortmund gibt sie in Kürze ein Gastspiel - in der Reihe “Junge Wilde“. Ein Gespräch.

Schöne Frau, schöne Stimme, und dann spricht die Georgierin noch Deutsch mit einem ziemlich süßen französischen Akzent. Man muss aber weder Mann noch Schwärmer sein, um sich für Khatia Buniatishvili zu begeistern. Längst hat die Fachwelt sich aus pianistischen Gründen in die 25-Jährige verguckt. Sie spielt mit den Besten der Besten, ist Gast in London, Wien, New York. Zeit für ein Gespräch hat sie aber doch. Lars von der Gönna unterhielt sich mit Kathia Buniatishvili über schnellen Erfolg, Schubladendenken und das Herz auf der rechten Taste.

Beim Klavierfestival Ruhr war ihr furioses Debüt die Folge von Zufällen. Eine große Pianistin erkrankte, und Sie – damals eher noch ein Insider-Tipp – wurden gefeiert. Fragen Sie sich bei aller Arbeit wieviel Glück zur Karriere gehört?

Khatia Buniatishvili: Glück gehört ganz bestimmt dazu. Aber wenn Sie nicht gearbeitet haben, wird das mit dem Glück nur einmal helfen (lacht). Tatsächlich denke ich viel über das Glück nach, nicht nur im Musikerdasein.

Und was bedeutet es für Sie?

Khatia Buniatishvili: Mir ist wichtig, an das Glück zu glauben. Die Hoffnung auf Glück begleitet mich auch an Tagen, die nicht so strahlend sind. Immer daran zu glauben, dass wieder Zeiten kommen, an denen man etwas Großes und Schönes empfinden kann, prägt ja die Grundhaltung eines Menschen. Er erkennt leichter als andere das Potenzial einer Situation. Meine Erfahrung ist, dass das Leben mit dieser Haltung einfach netter ist. Und Menschen, die diese Haltung haben, sind es auch: netter!

„Die meisten Etiketten sind in Ordnung“

Die Welt, in der Sie auftreten, liebt Schubladen und Etiketten. In Dortmund werden Sie in der Reihe „Junge Wilde“ auftreten?

Khatia Buniatishvili: Also mich irritiert weder „jung“ noch „wild“ (lacht). Die meisten Etiketten, die um mich herumschwirren, sind in Ordnung. Wenn es mal anders ist, werde ich mich ganz bestimmt melden und es laut sagen.

Und das Schwärmen über ihr „weibliches“ Spiel...?

Khatia Buniatishvili: Tja, es ist weiblich, es ist männlich, es ist menschlich. Wir tragen alle diese Seiten in uns, und es wäre dumm, sie nicht zum Zug kommen zu lassen, wenn die Kunst es erfordert. Für mich ist das kein Problem.

„Ich finde lieber selbst einen Weg“

Wie nähern Sie sich einem Stück?

Khatia Buniatishvili: Ich höre nicht viele CDs von anderen Pianisten. Wenn ich neue Stücke vorbereite, meide ich das ganz. Nicht, weil ich ihren Stil ablehnen würde. Aber ich finde lieber selbst einen Weg. In der Etappe des Lebens, in der ich mich jetzt befinde, kann ich gar nicht sagen, welcher berühmte Pianist mich besonders beeinflusst hat, welche „Schule“, welcher Stil.

Heute in der Klassik nach oben zu kommen, bedeutet, ein Star zu sein: Shows wie „Echo Klassik“, Paparazzi, Eventkultur...

Khatia Buniatishvili: Für mich ist klassische Musik nicht nur der Konzertsaal oder ein Publikum von Kennern. Ich habe da keine sehr radikale Meinung. Es gibt Menschen, die das sehr oft und deutlich sagen, aber ich finde, das reicht auch. Ich kann auch in einer Show spielen, im traditionellen Konzertsaal oder beim Open-Air. Für mich ist jedes Konzert erstmal die Möglichkeit, Musik mit Menschen zu teilen.

„Musik, die ich liebe, will ich teilen“

Wie teilt man Musik?

Khatia Buniatishvili: Darüber, dass sie einen berührt. Ich weiß nur diesen einen Weg. So gehe ich selbst bei der Auswahl meiner Stücke vor. Seien sie sicher: 99 Prozent der Werke, die ich spiele, liebe ich. Und Musik, die ich liebe, die will ich natürlich mit Menschen teilen.

Die meisten in Ihrem Alter hören Pop, Techno, Rap...

Khatia Buniatishvili: Ich habe echt kein Problem mit anderer Musik, auch mit Pop nicht. Was ich aber glaube: Es wäre gut, mit klassischer Musik oder traditioneller Volksmusik zu beginnen, um Entwicklungen zu verstehen, Zeitströme, ja, die Psychologie des Hörens. Natürlich bin ich glücklich, wenn ein Kind begeistert Beethovens Neunte hört. Aber das ist ganz klar eine Ausnahme heute. Was den Musikgeschmack anderer Menschen angeht, trete ich nicht als Kritikerin auf. Mit Kritik kann man ganz bestimmt keine Liebe zur Klassik erwecken. Das ist nicht der richtige Weg. Das geht nur übers Herz.

Gastspiel im Dortmunder Konzerthaus

  • In der Reihe „Junge Wilde“ gastiert die Pianistin Khatia Buniatishvili am 15.11., 19 Uhr im Dortmunder Konzerthaus. Ihr Programm setzt auf Werke Chopins, dem sie ihr letztes Album widmete. Liszt (h-moll-Sonate) und Strawinsky (Petruschka) komplettieren den Abend.
  • Karten für das Konzert gibt es zum Einheitspreis von 19,65€ an der Abendkasse.