Hagen. . Wie macht man Kinder mit der Tatsache vertraut, dass Menschen sterben? Die Junge Bühne des Theaters Hagen zeigt mit „Nur ein Tag“ ein herzenskluges Kinderstück. Autor Martin Baltscheit erzählt eine Parabel ohne erhobenen Zeigefinger.
Das Wildschwein ist traurig. Es weiß, dass die frisch geschlüpfte Fliege nur 24 Stunden zu leben hat. Aber ist „Nur ein Tag“ wirklich so wenig? Der Düsseldorfer Autor Martin Baltscheit hat unter diesem Titel ein Kinderstück geschrieben, das ein schwieriges Thema mit viel Herzensklugheit und Humor behandelt. Das Ensemble der Jungen Bühne Hagen zeigt die Geschichte jetzt in einer Inszenierung, die ebenso berührend wie leichthändig ist.
Das Lutz, wie sich das Hagener Jugendtheater in Verbeugung vor seinem Paten, dem Dramatiker Lutz Hübner, nennt, ist ein außergewöhnliches Theaterprojekt. Unter der Leitung von Werner Hahn spielen hier Profidarsteller und junge Laienschauspieler zusammen. Sie haben keine Angst vor komplexen Stoffen und zeigen die besten neuen Stücke, die auf den Markt kommen. Und ihre Inszenierungen sprechen längst nicht nur junge Leute an.
Die pfiffige Fliege sprudelt nur so vor Ideen
Wie macht man Kinder mit der Tatsache vertraut, dass Menschen sterben? Martin Baltscheit lässt Fuchs und Wildschwein zunächst einmal lügen: Sie machen der niedlichen Freundin vor, dass heute der letzte Tag des Fuchses ist. Die pfiffige Fliege, die noch nicht weiß, dass sie eine Eintagsfliege ist, sprudelt über vor Ideen, wie man deswegen ganz besondere Stunden planen kann.
Jenna Schulz als kluge Fliege, Sebastian Kolb als frecher Fuchs und Firat Baris Ar als sensibles Wildschwein sind ein großartiges Team. Sie erzeugen mit viel sportlichem Körpereinsatz und ansonsten bewusst reduzierten Mitteln eine dichte Nähe zum Publikum. Und sie spielen Schule, Hochzeit und Vater, Mutter, Kind so selbstvergessen und fröhlich, dass man Lachen und Weinen gleichzeitig möchte.
Keine lauten Gesten
Regisseurin Miriam Michel verzichtet auf laute Gesten und setzt dafür auf präzise Charakterisierungen. Bühnenbildner Jeremias H. Vondrlik hat ein Birkenwäldchen mit Bach gebaut, das die Handlung in einen poetischen Rahmen stellt.
Die Fliege hat theoretisch vom Tod gehört. „Ich bin jetzt erwachsen, arbeite im Zirkus und dressiere fleischfressende Pflanzen“, spinnt sie die Vater, Mutter, Kind-Phantasie weiter. „Ihr seid inzwischen alt geworden und grillt jeden Abend. Aber dann passiert das Allerfurchtbarste. Du stirbst, Fuchs, Du wirst von einem Auto überfahren, und Du, Wildschwein, bleibst allein zurück.“ Das Trio übt das Trauern, die Erinnerung an geliebte Menschen, aber noch nicht als Ernstfall.
100 Jahre Theater Hagen
Dann verplappert sich der Fuchs, und der Eintagsfliege wird klar, was sie ist. Haben die Freunde sie nur verspottet, mit dem ganzen Spaß, den sie an diesem einzigen Tag zusammen hatten?
Wie sich Fuchs und Wildschwein davor drücken wollen, die Fliege bis zum Ende zu begleiten, wie sie dann doch den Mut finden, ihre Freundin zu verabschieden, das erzählt Martin Baltscheit, der mit seiner Familie bei der Premiere war, ganz schlicht, ohne jeden erhobenen Zeigefinger und völlig kitschfrei. Gerade deswegen wird die kleine Parabel um die drei tierischen Freunde zu einem großen Theatererlebnis. Denn ganz leise und verspielt wird die Botschaft deutlich: Wir sind auf der Welt, um etwas aus unserem Tag zu machen.
Geeignet für Kinder ab 10 Jahren. Wieder am 2., 4., 25., 26. Oktober und 14., 15., 16. November jeweils um 10 Uhr. Karten: 02331 / 2073218 oder im Internet: www.theater.hagen.de