Bochum. Bandenkrieg bei Hofe: In Bochum eröffnet die Spielzeit mit Shakespeares Oberschuft „Richard III“.
Manchmal kann dieser Richard von Gloster einfach nicht anders. Dann setzt er sich mit Ohrstöpseln an sein Schlagzeug und hämmert drauflos. Das übertönt das Todesröcheln seiner Opfer, die derweil im Tower liquidiert werden, sorgt aber auch für den nötigen Frustabbau. Und Frust hat der Mann zur Genüge, den Regisseur Roger Vontobel uns in seinem Shakespeare-Projekt „König Richard der Dritte“ in Bochum vorstellt. Äußerlich ist das zwar kaum mehr die missgebildete Kreatur mit Buckel Shakespeares, dafür scheint der unscheinbare Typ innerlich vollkommen verknotet.
Vontobel will uns in seinem fast vierstündigen Abend, diesen Richard aufschließen, der so gern König sein möchte anstelle des Königs und für dieses Ziel so ziemlich alle beseitigt, die ihm dabei gefährlich werden könnten. Durch den dominanten Auftritt von Paul Herwig in dieser Rolle lernen wir jemanden kennen, dem das Morden schon in jungen Jahren als selbstverständlich vorgeführt wurde, der es gerne sauber hat um sich herum und sich deshalb auch nicht scheut, ständig den Dreck der anderen wegzuräumen. Im Grunde scheint sein Vernichtungswahn vom Verlangen befeuert, endlich allein sein zu können.
Das Böse in Richard wird erklärbarer
Um dies alles aufzublättern, beginnt der Abend deshalb auch mit Szenen aus „Heinrich VI.“. Das englische Parlament ist unter diesem schwachen König vom Zerfall gekennzeichnet, da brauchen der alte York und seine drei Söhne in adretten „Y“-T-Shirts eigentlich nur noch einzumarschieren, um den Laden zu übernehmen.
In solchen Momenten erinnert Vontobels bildersatte Inszenierung an modernes Gangstertum und an Bandenkriege, wo Auftragskiller den Rest besorgen. Natürlich bleibt Richard selbst hier das menschliche Ungeheuer, das die eigene Ehefrau ebenso abschlachten lässt wie Bruder und unschuldige Kinder. Aber das Böse in ihm wird bei Vontobels Ansatz erklärbarer, Richard bleibt nicht mehr unfassbar, das Drama wächst so über das reine Leichenzählen weit hinaus.
Wackelnde Videobilder auf Holzvertäfelung
Wenn dieser Todesfürst am Schluss in einem Leichenberg schier unterzugehen droht, dann ist dieser lange nachhallende Schluss auch eine Entschädigung für all die wackelnden Videobilder, die, auf braune Holzvertäfelung projiziert, wie Relikte aus der Steinzeit des Mediums anmuten.
Die Schauspieler wirken real viel besser: Felix Rech als kränkelnder König Eduard IV. ebenso wie Jana Schulz als taffe Königswitwe Margaret oder Therese Dörr als Eduards Gattin Elisabeth. Das Bochumer Schauspiel hat mal wieder was zum Vorzeigen.
- Termine: 30. Sept.; 5., 13., 27. Okt. Karten: 0234 / 3333 5555