Essen. Typisch Jussi Adler-Olsen: Kein Grauen ohne Gag. Der vierte Fall des eigenwilligen Ermittlers Carl Mørck ist ab Freitag im Handel: „Verachtung“. Die Alder-Olsen-Fans werden die Mischkost aus reichlich Leichen und perversen Allmachtsfantasien lieben.

Eine sündhaft erotische Frau, die einen zum Martinsgansessen bittet: Ist nicht das genau die Maßnahme, die einen Menschen, der beruflich unentwegt mit Leichenteilen jongliert, überhaupt am Leben erhält, von versöhnen gar nicht zu reden? Im Prinzip ja. Aber dann öffnet Mona die Tür und Kommissar Mørck trifft mehr als eine Gans: Monas Tochter, die ihn auf Anhieb ätzend findet, während das Enkelsöhnchen kräht, Mørcks Nase tropfe ins Essen.

Das ist nun mal so die Art von Jussi Adler-Olsen. Eben haben wir als Leser seines neuen Romans „Verachtung“ noch einen Schlag in die Magengrube gekriegt, jetzt juckt der Däne reumütig unser Zwerchfell. Diese Art von Witzen muss man natürlich mögen. Sie sind deftig, nicht selten auch unterhalb des Nabels zu Hause und politisch korrekt erst recht nicht, wenn Mørcks syrischer Mitarbeiter mal wieder seinen Gebetsteppich ausrollt.

Alder-Olsen schreibt finster wie immer

Eigentlich ist Kommissar Mørk ja eher langweilig. Oder muss er einem nur so vorkommen, angesichts einer bizarren Truppe, in der verwirrenderweise abwechselnd arbeitende Zwillingsschwestern und Kolleginnen, die allem textilen Anschein nach „mit verbundenen Augen im Second-Hand-Laden“ einkaufen, der ganz normale Polizeiwahnsinn sind?

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Zur Sache, die ebenfalls finster wie immer ist: Eine Frau trifft ihren Peiniger wieder. Curt Wad ist ein Mediziner von der Sorte, die wir seit dem Wirken Josef Mengeles in Auschwitz eigentlich für ausgestorben hielten. Von wegen! Der Arzt und rechte Politiker operiert Frauen ungefragt die Fruchtbarkeit weg, wenn sie ihm nicht nordisch genug vorkommen. Oder eine Spur zu sehr Sozialschmarotzer sind, in seinen Augen, versteht sich. Das hat er vom Vater gelernt, die Spreu vom Weizen zu trennen, wie das in diesen Kreisen so heißt, und Mädchen, mit denen sich Gutsbesitzer ins Heu geschlagen haben, Hurentum zu attestieren. Nete Hermansen war eines dieser Opfer. Jahre später wird sie plötzlich Witwe. Und sehr reich. Womit ihr Rachefeldzug beginnt.

Carl Mørcks vierter Fall ist nach realen Vorgängen in einem Heim auf der beschaulichen, kleinen Insel Sprogø geformt, wo noch bis 1961 in einem für „gefallene Mädchen“ und entmündigte Frauen grausamen Behandlungen unterzogen wurden. Was die literarischen Vorbilder für die Sühnesehnsucht einer schuldos Schuldigen angeht, denkt man unwillkürlich an Dürrenmatts alte Dame auf Besuchsreise und an Mankells „fünfte Frau“. Dennoch werden die vielen Adler-Olsen Fans die Mischkost aus reichlich Leichen, perversen Allmachtsfantasien und eigenwilligem Humor (diesmal sitzen wir ungefähr zehn Seiten lang mit den Ermittlern auf dem Klo) mögen. Letztlich geht es ja um vertrauten Schrecken.