Bayreuth. . Dem Antisemitismus in der Familie Wagner und bei den Bayreuther Festspielen spürt die Ausstellung “Verstummte Stimmen“ nach. Hannes Heer hat sie erstellt. Der Historiker machte Schlagzeilen, als er „Die Verbrechen der Wehrmacht“ dokumentierte.

„Der Grüne Hügel“ als „Brauner Hügel“. Die Verflechtung der Bayreuther Festspiele mit dem Nationalsozialismus und der Antisemitismus Richard Wagners werfen Schatten auf Werk, Rezeption und Familie. Sie lassen sich weder verschweigen noch abschütteln. Die „Verdunklungsstrategie“ Wolfgang Wagners, der über 50 Jahre lang das Thema auf beschwichtigend kleiner Flamme kochte, vermochte die kritischen Stimmen nicht zum Schweigen zu bringen. Das neue Führungsteam um Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier versprach Besserung und öffnete Historikern bisher verschlossene Archive.

Das nutzte auch Hannes Heer für eine Ausstellung, die im Park des Festspielhügels und im Neuen Bayreuther Rathaus zu sehen ist. „Verstummte Stimmen“ heißt die Dokumentation, die an verfolgte Musiker erinnert und im Festspielpark an die Schicksale im Umfeld der Bayreuther Festspiele von ihrer Gründung 1876 bis zur Stunde „Null“ 1945.

In Ungnade gefallen und ermordet

Auf großen, silbergrauen Tafeln werden, nah an Brekers Wagner-Büste, 53 Sänger, Instrumentalisten, Dirigenten und andere Mitwirkende in Erinnerung gebracht, die während der braunen Diktatur in Bayreuth in Ungnade gefallen sind, 13 wurden ermordet.

Mindestens so interessant sind die Biografien von Künstlern, die vor Hitler von Cosima und Siegfried Wagner drangsaliert wurden. Von der Sopranistin Frida Leider, die das Regime überlebte, bis zum Cellisten Lucian Horwitz, der 1924 auf der Ersatzliste des Festspielorchesters gestanden hat, dessen Namen vom Dirigenten Karl Muck jedoch mit einem Hakenkreuz als „jüdisch“ vermerkt wurde. Horwitz wurde in Auschwitz ermordet.

Offene Abrechnung

Eine so offene Abrechnung wäre zu Zeiten Wolfgang Wagners undenkbar gewesen. Hier scheint sich etwas zu bewegen, auch wenn sich Hannes Heer gewünscht hätte, seinen Einführungsvortrag auf dem Festspielgelände halten zu dürfen. Doch das sei wegen der Festspiele nicht möglich, hieß es aus der Festspielleitung. Dass sich Katharina Wagner nur durch einen kleinen schriftlichen Gruß vertreten ließ, stieß auf Kritik.

Die Schau erinnert an den zynischen Umgang Wagners, seiner Gattin Cosima und seines Sohnes Siegfried mit jüdischen Künstlern. Der Linie blieb man in Bayreuth lange treu: Mit plastischen Zitaten wird ein Klima beschrieben, in dem „wir in den jüdischen Apfel beißen müssen“, wenn „kein Arier zur Verfügung steht“, wie es der Dirigent Karl Muck 1930 auf den Punkt bringt, einer der willfährigsten Vollstrecker von Cosimas Vorstellung „judenfreier Festspiele“ noch vor Hitlers Machtergreifung.

Wagner, ein Wegbereiter?

Ist nun Wagner der Wegbereiter von Auschwitz? Auch dieser Frage weichen die Ausstellungsmacher nicht aus: „So wenig es eine direkte Verbindung von Wagner zu Hitler gibt – er war für diesen ein wichtiger Stichwortgeber. Aber erst seine Erben – Cosima, Siegfried, Winifred Wagner und Houston Stewart Chamberlain – haben einen direkten politischen Zusammenhang hergestellt.“

  • Verstummte Stimmen. Bis 14. Oktober. Katalog (24 Euro), Metropol-Verlag