Recklinghausen. . Auf ihrer Theatertour durch Europas Metropolen macht Oscar-Preisträgerin Cate Blanchett mit „Groß und Klein“ Station bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen. Ein Porträt.
In London lag ihr das Publikum zu Füßen. Wien war von ihrem Spiel entzückt. Paris schier aus dem Häuschen. Aber so richtig in ihrer Rolle zu Hause fühlen dürfte sich Cate Blanchett ab heute erst in Recklinghausen. Recklinghausen nahe Essen nahe Remscheid-Lennep. Orte, in die Botho Strauß seine Bühnenfigur Lotte Kotte vor 30 Jahren in seinem Stationendrama „Groß und Klein“ geschickt hat. Dass ein Weltstar wie die australische Film-Fee Blanchett diese bundesrepublikanische Verzweiflungsreisende – von deutschen Theatern längst in die Abstellkammer des postdramatischen Vergessens bugsiert – wieder zum Leben erweckt, ist eine kleine Sensation. Und Recklinghausen macht mit dem Gastspiel der Oscarpreisträgerin seinem Ruf als starbesetztes „Recklingwood“ alle Ehre.
Statt Glamour sucht sie im Theater den grauen Ernst
Dabei ist es nicht der erste Besuch der Kino-Elbin auf dem grünen Hügel. 2008 war sie schon mal Gast der Ruhrfestspiele, damals als Regisseurin des Missbrauchs-Stücks „Blackbird“. Wer Blanchett live erleben wollte, musste zum Publikumsgespräch in die Marler Zeche Auguste Victoria kommen. Eine Stunde stand die Frau mit der Porzellanhaut nach der Vorstellung Rede und Antwort, sprach über das Leiden der Opfer und ihre Liebe zum Theater. Hinter der Bühne hat Oma Blanchett damals auf den kleinen Roman aufgepasst.
In diesem Jahr reist sie ohne Familie an. Ohne die zwei Söhne und Ehemann Andrew Upton, mit denen sie in Australien ein zurückgezogenes, schnurzgewöhnliches Familienleben lebt. Den Dramatiker hat die alabasterblasse Schönheit 1997 geheiratet. 2007 haben sie die „Sydney Theatre Company“ übernommen, der Blanchett seither unbeirrt die Treue hält wie ihrem Ehemann. Bei Gastspielen der Company ist sie deshalb sorgsam darauf bedacht, dass hier nicht die Leinwand-Göttin aus Hollywood, die Oscar-Preisträgerin und Kino-Queen mit dem weißen Schwanenhals im Mittelpunkt steht, sondern die Theaterindendantin und Bühnenschauspielerin. Mit Stücken, mit Rollen, die statt Glamour den grauen Ernst betonen. Also keine Pressekonferenz, keine Autogrammstunde, kein Roter Teppich. Cate Blanchett mag es so unauffällig, dass sie vermutlich am liebsten mit dem Fahrrad zur Vorstellung fähren würde.
Wer der 43-jährigen Schauspielerin persönlich begegnet, hat dabei keineswegs den Eindruck, einer Lotte aus Irgendwo über den Weg zu laufen. Blanchett nämlich hat etwas von dem, was Hollywood heute so sehnlich sucht wie das Rezept für Blockbustererfolge – sie verfügt über den Glamour alter Sorte. Kritiker fühlen sich bei ihrem Spiel an die Garbo oder die Dietrich erinnert. Und das nicht nur, wenn sie eine Femme Fatale aus dem Zweiten Weltkrieg spielt wie in „The Good German“. George Clooney wirkte an ihrer Seite wie der Espresso-Mann in Uniform, Cate Blanchett aber war die Inkarnation aller Mata Haris.
Der Thron als natürliches Terrain
Sie gilt als Perfektionistin, die Brillanz ausstrahlt, ohne Kälte zu verströmen. Sie ist keine Eisfee wie die Kidman, kein Porzellanpüppchen wie die Paltrow. Alles an dieser Frau wirkt so licht, als hätte sie jemand von innen angeknipst. Wer sie bei Interviews erlebt, könnte sogar den Eindruck bekommen, dass eine Mischung aus Pfirsichextrakt und Rosenessenz durch ihre Adern fließt: So ätherisch-schön und überirdisch rein wirkt die gebürtige Australierin, die mit zwei Geschwistern in Melbourne aufwuchs. Der Vater starb früh, mit zehn war sie Halbwaise, mit Anfang 20 eine preisgekrönte Theater-Newcomerin, mit 29 Königin von England.
Der Thron scheint das natürliche Terrain für sie zu sein. Als „Elizabeth“ gewann sie ihr Königreich und einen Golden Globe. In der „Herr der Ringe“-Trilogie verzauberte sie Trolle und Publikum. Und als Hollywood-„Zarin“ Audrey Hepburn verströmte sie in „The Aviator“ Autorität und Anmut gleichermaßen. Diese Mischung aus Zurückhaltung und Erhabenheit ist ihr Erfolgsrezept. Damit kann sie alles spielen, Elbenherrscherin und – Bob Dylan.
Aber nun Lotte. Keine Bühnenfrau zum Anbeten, sondern zum Anfassen. Eine Durchreisende, die man gerne mal wieder trifft. In London, Lennep oder Recklinghausen.
Rentable Schauspieler