Dortmund. Der Dichter Georg Büchner hat nur zwei fertige Theaterstücke und ein Dramenfragment („Woyzeck“) hinterlassen, als er mit 24 Jahren starb. Auf den Bühnen sind sie immer noch lebendig, wie jetzt „Leonce und Lena“ in der Dortmunder Phoenix-Halle zeigt.

Das kleine Königreich Popo wirkt wüst und leer. Wie auch anders, befindet es sich doch in der riesigen Phoenix-Halle auf dem Gelände des ehemaligen Stahlwerks Phoenix-West. Und die hat man gerade mal mit ein paar Teppichen versehen, der Rest ist Video-Installation. Hierhin hat sich das Dortmunder Schauspiel begeben, um Georg Büchners Lustspiel „Leonce und Lena“ in ungewöhnlichem Rahmen zu präsentieren.

Nagende Langeweile, wie sie den Prinzen Leonce (mit Sturmfrisur: Christoph Jöde) intensiv plagt, ist in dieser kahlen Weite besonders anschaulich darzustellen. Das beginnt schon im Foyer, wo wir mit den grotesken Zeitvertreiben konfrontiert werden, mit denen der junge Adlige die Zeit totzuschlagen bereit ist. Später, in der Halle, wird er Valerio (Frank Genser) kennenlernen, der mit einem Motorrad hereinprescht und das Gegenstück zum Prinzen ist: Der Müßiggang ist ihm Lebenszweck.

Dem Schicksal kann man nicht entgehen

Büchner hat dieses Stück 1836 als reichlich absurde Satire auf die damals voherrschende deutsche Kleinstaaterei angelegt. Der italienische Regisseur Paolo Magelli macht jetzt daraus einen Bilderbogen, der nicht nur attraktiv anzuschauen ist, sondern uns auch noch viel mitzuteilen hat. Viel mehr als das Offenkundige: Dass nämlich der Mensch im allgemeinen und Königskinder im besonderen ihrem Schicksal nicht entgehen können. Zwar flieht Leonce die ihm aufgezwungenen Heirat mit Prinzessin Lena aus Pipi. Doch dann verliebt er sich in Italien in eine unbekannte Schöne – und hat so am Ende doch die vom Vater auserwählte Maid gefreit.

Die Geliebte wird ad acta gelegt

Eigentlich aber ist das eine intellektuelle Katastrophe. Denn gegenüber der klugen Geliebten Rosetta (Eva Verena Müller), die sich mit viel Körpereinsatz gegen das Abschieben stemmt, erscheint Lena (Bettina Lieder) als ein doch arg tumbes Mädel. Der Blick starr, das Gesicht maskenhaft und die Worte entfliegen nicht etwa ihrem Mund, sie tröpfeln eher zögerlich. Von Anfang an ist sie nicht weit entfernt von einem programmierten Apparat, zu dem sie später ja tatsächlich noch wird. Genau so eine Frau aber sucht Leonce ja, ein einfältiges Wesen, das einfach zu handhaben ist. Da wächst gleich der Spargel auf den Videobildern an der Wand, und man weiß, was gemeint ist. Romantische Liebespaare sehen anders aus – oder am vielleicht Ende doch nicht?

Einsatz von Benzinfahrzeugen

Magelli und sein Bühnenbildner Hans Georg Schäfer machen aus dem Stück einen Drei-Stationen-Weg, der für Abwechslung und Bewegung sorgt. Da lassen wir uns von der Regie gern mitnehmen, werden selbst zum tumben Volk und studieren „Vivat“-Rufe für den dösigen König (Sebastian Kuschmann) ein. Weniger goutieren wir den wiederholten Einsatz stinkender Benzinfahrzeugen, mit denen Magelli wohl die Halle vorführen möchte. Noch weniger grundlos herabgelassene Hosen bei einer Hochzeitsfeier. Und schon gar nicht die Zurschaustellung des aus der Unterhose ragenden königlichen Penis. Aufregendes Theater ist ja vorhanden, man muss es gar nicht zweifelhaft würzen.