Bochum. .

Im Schauspielhaus Bochum hat am 10. April 2010 Büchners Lustspiel „Leonce und Lena“ Premiere. Regisseurin Anna Bergmann hat den Klassiker radikal umgekrempelt.

Im Schauspielhaus laufen Werbeclips - „professionell gemacht“, wie Regisseurin Anna Bergmann betont. Sie scheint das romantische Lustspiel „Leonce und Lena“ von Georg Büchner radikal umgekrempelt zu haben. So hat sie beispielsweise gestört, dass Lena im Stück nur eine unzureichende Rolle spielt. Das hat die quirlige Regisseurin geändert, und in Büchners Text die weibliche Titelrolle schlichtweg erweitert - die Spielvorlage aus Büchner, Bergmann und einigen anderen Autoren hat am Samstag, 10. April, 19.30 Uhr, im Schauspielhaus Premiere.

Eine gewisse Unbekümmertheit

Anna Bergmann hat mit „Menschen im Hotel“ von Vicki Baum und „Alice“ nach Lewis Carroll bislang recht respektable Inszenierungen am Schauspielhaus abgeliefert. Beide Theaterabende zeichnete eine gewisse Unbekümmertheit im Umgang mit den jeweiligen Stoffen aus, was nicht generell zu Lasten der Inszenierungen ausschlagen muss.

Besonders „Alice“ verströmte ein zauberisches Flair, das den klassischen, ideenüberbordenden Originaltext auf der Bühne in seinen phantastischen Ausuferungen erfahrbar machte. Natürlich standen Tim Burton bei seiner kürzlich in die Kinos gekommenen „Alice“-Verfilmung ganz andere technische und finanzielle Mittel zur Verfügung: den schrulligen und auch unbehaglichen Geist indessen, der aus dem Wunderland spricht, vermochte auch Anna Bergmann zu beschwören.

In der heutigen Glamourwelt

Nun also „Leonce und Lena“: Hier hält sich die Regisseurin nicht lange mit den historischen Umständen der Entstehungszeit auf, sondern versetzt das Lustspiel in die heutige Glamourwelt von Mode und Werbung. Bergmann: „Leonce und Lena sind bei mir Jugendliche aus der Upper-Class-Gesellschaft, Kinder von Firmenbossen.“

In einem „superaufwändigen Bühnenbild“ , das Matthias Werner entworfen hat, wird sich die alte Geschichte also im „Hier und Jetzt“ abspielen. Büchners Königskinder (auf der Bühne Ronny Miersch und Sina Kießling) sind als Werbe-Ikonen die Gesichter der Marken „Leonce“ und „Lena“. Doch die Regisseurin dreht die Spirale noch höher: Der Taumel zwischen Partyrausch und Absturzdepression rettet die beiden nicht aus ihrer existenziellen Langeweile. Die arrangierte Hochzeit wird zum Marketing-Coup, der die beiden Marken zum neuen gemeinsamen Label „L & L“ fusioniert. Eine abenteuerliche Neu-Konstruktion, in der Tat. Als König Peter vom Reiche Popo ist im übrigen Bernd Rademacher zu sehen.

Verblüffende Idee

Im Original fliehen Leonce und Lena bekanntlich nach Italien. „Was wäre dieses Italien heute?“ hat sich Anna Bergmann gefragt.

Und ist auf eine verblüffende Idee verfallen. Bei ihr entweichen Leonce und Lena vor der ungeliebten Hochzeit an den Südpol. „Dort, so weit weg, werden wir in einer eigenen, neuen Welt sein“, erläutert die Regisseurin: in einer Traumsphäre somit. Dafür sei eine große Umbaupause notwendig. Der dritte Akt schließlich versucht einen historisierenden Blick: Wieder eine andere Sphäre, eine weitere Spielweise.

Die Regisseurin interessiert an dem Lustspiel, „wie zwei Menschen zusammen finden, die so sehr im Individualismus verfangen sind.“ Und das ist in Zeiten wie der unseren, in der eher Vereinzelung denn Gemeinschaft angesagt zu sein scheint, in der Tat ein aktuelles Thema zu sein. Auftritt: Bergmann und Büchner!