Essen. Das neue Album nach dem Erfolg von „Große Freiheit“ ist ganz ähnlich gestrickt. Es ist eine große Ladung von klebrigem Akustik-Pathos, gelegentlich versetzt mit Rammstein-Gitarren, und mündet am Ende in Trauerarbeit zum Mitschunkeln.
Wenn die Verkaufszahlen von Musik unser Leben abbildeten, müsste ganz Deutschland in den nächsten Wochen in klebrigem Akustik-Pathos baden: Das neue Unheilig-Album ist da. Tatsächlich aber blieb man auch 2010, als Unheilig mit dem Vorgänger „Große Freiheit" überraschend für 23 Wochen die Charts anführten, weitgehend verschont von den haushohen Gefühlswellen, denn viele Medien ignorierten den Grafen, wie sich der Sänger der Aachener Band nennt. Der Erfolg kam trotzdem. Wenn nun „Lichter der Stadt“ erscheint, das nächste, laut (un-)heiligem Plattenfirma-Ehrenwort, „Meisterwerk“, wird sich die zumindest für die Musikindustrie messianische Erfolgsstory wohl wiederholen.
Noten erstarrte Sterbebegleitung
Dem Grafen ist damals ein gewiefter Zug geglückt: Er vermählte romantisch verklärtes Streicher- und Sanges-Pathos mit elternkompatiblem Schlager und umarmte auch noch die Fans von Rammstein. Damit überwand er die Grenzen der Gothic-Szene, die sich längst als profitträchtiges, subkulturelles Schmuddelkind der Branche etabliert hat.
So, wie wir damals „Geboren um zu leben“ hörten, einen Song für einen verstorbenen Freund, so hören wir heute „So wie Du warst“, eine zu Noten erstarrte Sterbebegleitung. Auch wenn der Graf den neuen Song gern als Heimkehrlied interpretiert, ist die Ähnlichkeit beider Lieder frappierend. So viel Pathos haben wir zuvor höchstens in Ivan Rebroffs „Wolgalied“ gehört.
Ramsch-Weisheiten für Kühlschrankmagneten
Auf „Lichter der Stadt“ reihen sich die Ramsch-Weisheiten für Kühlschrankmagneten („Die kleinen Dinge werden wertvoll“, „Gib das Träumen niemals auf“), versehen mit seichten, eingängigen Melodien, die Gefühlstiefe vorgaukeln. Kein Wunder, dass sich auch Xavier Naidoo („Zeitreise“) und Andreas Bourani („So wie wir waren“) an den pseudo-spirituellen Kuschelsound hängen. Zwischendurch bringt der Graf dann noch ein paar Rammstein-harte Alibi-Gitarren („Eisenmann“) – fertig ist ein Hit-Album, von dem viele sagen werden, es sei „so schön traurig“.
Denn das ist der Sound von Unheilig: Trauerarbeit zum Mitschunkeln.
Unheilig: Lichter der Stadt (Vertigo Berlin/Universal). Live: 21.7. Köln, Rhein-Energie-Stadion, 11.8. Hemer, Sauerlandpark