Duisburg. . Der Gründer des Online-Lexikons Wikipedia ist zu Gast in Duisburg. Jimmy Wales im Interview über Gerhard Mercator, China und Internetpiraterie.
Jimmy Wales ist Gründer und Gesicht des Online-Lexikons Wikipedia. Auf Einladung der Stiftung Mercator hielt er am Montag in Duisburg die „Mercator Lecture“ zum Thema Demokratie und Internet im 21. Jahrhundert“ in der Salvatorkirche. In diesem Gesicht zu lesen, ist nicht ganz einfach – so offen, fast erwartungsvoll wirkt es. Aber die Antworten sprudeln hervor, wenn man nur fragt.
Haben Sie auf Wikipedia nachgeschaut, was es mit diesem Herrn Mercator und Duisburg auf sich hat?
Wales: Ja, ich habe die Mercator-Projektion nachgeschlagen. Ich habe nach Gemeinsamkeiten mit dem Wikipedia-Projekt gesucht. Mercator gab uns einen anderen Blick auf die Welt. Nicht nur zu Navigationszwecken, er zeigte allen, wie die Welt aussieht. Aber natürlich gab es Verzerrungen. Wenn wir auf Wikipedia schauen, haben wir eine Menge hervorragender Artikel, etwa über Technologie. Aber wir haben sehr viel weniger Inhalte, die nicht so interessant sind für unsere Kerngruppe. Auch hier ist ein wunderbares Bild der Welt entstanden, aber nicht frei von Verzerrungen.
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Warum sollte Wissen frei sein?
Ich glaube, die Frage beantwortet sich fast von allein. Für mich wurde das ganze Wiki-Konzept aktuell, als ich die Open-Software-Bewegung wachsen sah. Es gibt so viele intelligente Menschen, die einfach gerne zu etwas beitragen. Aus Liebe zur Sache. Das ist besser, als World of Warcraft zu spielen.
Aber wir sehen gerade einen Kampf um die Kontrolle des Wissens, wie die Diskussion um Internetpiraterie und das Acta-Abkommen zeigt.
Ich glaube, wir werden immer Debatten um Redefreiheit oder die Grenzen des Urheberrechts haben. Wie kann man Künstler anregen, große Werke zu schaffen, aber auch normalen Menschen das Teilen und Diskutieren ermöglichen? Das ist erst seit kurzer Zeit ein Thema für normale Bürger geworden, da sie nun überhaupt zum ersten Mal direkt teilhaben können an solchen Diskussionen im öffentlichen Raum. Ich glaube, da gibt es keine einfachen Antworten.
Ihr erstes eigenes Diskussionsforum drehte sich um Philosophie. Sind Sie noch interessiert an Philosophie?
Nein (lacht). Ich habe auch einen Wohnsitz in England und bin gerade ziemlich versessen auf englische Politik. Die ist ungeheuer komplex. Manchmal schreibe ich zum Spaß darüber auf Wikipedia.
Welchen Schwierigkeiten stehen Sie in China gegenüber?
Wir waren drei Jahre lang gesperrt in China. Seit den Olympischen Spielen filtert China nur noch spezielle Artikel heraus. Zum Beispiel über den Dalai Lama. Aus Prinzip beteiligen wir uns nicht an der Zensur, aber wir können sie auch nicht stoppen. Ich bin aber optimistisch. Ich glaube, China weiß, dass sein Ansatz nicht nachhaltig ist.
Gerhard Mercator wurde vor 500 Jahren geboren. Wie wird man sich nach 500 Jahren an Sie erinnern?
Die Wikipedia ist eine Benefizorganisation ohne Werbung. Sie ist das Projekt von Menschen, die daran arbeiten, das Wissen der Welt zu teilen. Ich glaube, dass ist etwas, an das man sich erinnern wird – lange nachdem die Mehrheit der heutigen Unternehmen vergessen sein wird. Weil Wikipedia ein kulturelles Ziel hat, nicht ein geschäftliches.
Interview: Thomas Mader
Die Duisburger Rede von Jimmy Wales ist bald zu finden auf www.stiftung-mercator.de