Essen. . Am Sonntag ist der türkisch-stämmige Hamburger „Tatort“-Ermittler Cenk Batu in seinem politisch brisantesten Fall zu sehen. In „Der Weg ins Paradies“ (20.15 Uhr) soll er sich in eine islamistische Terrorzelle einschleusen. Die Handlung spitzt sich bis zum Finale immer weiter zu.
Cenk Batu ist es leid. Das sieht man ihm an. In Gedanken genießt er noch seinen Urlaub, da steht sein Freund und Kollege Uwe (Peter Jordan) bereits wieder vor der Tür – im Schlepp einen äußerst unangenehmen BKA-Mann – und präpariert den verdeckten Ermittler für den nächsten Einsatz. Er soll sich in eine islamistische Terrorzelle einschleusen, was heißt: wieder ein neuer Pass, wieder eine neue Wohnung, wieder eine andere Identität. Er sei der Richtige, setzt der fiese Vorgesetzte namens Oswald (großartig: Martin Brambach) nach: „Sie sind jung, Sie sind Muslim, und keiner wartet auf Sie!“.
Zack – das hat gesessen.
Kein Wunder, dass man da aussteigen will. „Der Weg ins Paradies“ ist der (leider) vorletzte „Tatort“-Fall für Mehmet Kurtulus, der den türkischstämmigen Hamburger Ermittler mimt. Und es ist der politisch brisanteste, menschlich gefährlichste und für den einsam durch die Vergüngungsviertel der Hansestadt streifenden Batu auch der bislang persönlichste Fall. Gibt er doch mit der vorsichtigen Annäherung an eine schöne junge Frau einen Ausblick auf das, was kommen könnte, müsste er nicht immer mit Leib und Seele so tief ins Verbrechermilieu eintauchen.
Ein Abonnement auf zwiespältige Charaktere
Batu soll die mitten in Hamburg agierende islamistische Gruppe infiltrieren und einen geplanten Terroranschlag verhindern. Bärtig und augenscheinlich fanatisch für den Islam entflammt zieht er in ein ödes Männerwohnheim, wo einsame Seelen sich mit Beten und hasserfüllten Sprüchen auf die „Kuffar“ – die „Ungläubigen“, allen voran US-Amerikaner – am Leben halten.
Kopf der kleinen Terroreinheit ist der zum Islam übergetretene Deutsche Christian Marshall, gespielt von Ken Duken, der ein Abonnement auf zwiespältige Charaktere zu haben scheint. Der misstrauische Fanatiker Marshall liefert sich mit seinem „Bruder“ Taylan (Batu) ein nervenzerrendes Psychoduell.
Regisseur Lars Becker („Nachtschicht“), bekannt für seinen realistischen Ansatz, bedient sich eines gradlinigen, schnörkellosen Drehbuchs mit dokumentarischen Elementen und einer klaren Sprache. So, oder so ähnlich, wird es auch im echten Leben gewesen sein, als sich die mittlerweile verurteilten jungen Männer aus bürgerlichen Haushalten in der sogenannten „Sauerland-Terrorzelle“ zusammenfanden, um in einer Garage Wasserstoffperoxid zu lagern und den Bombenbau zu planen.
Zutiefst verirrte Jünger
Im „Tatort“ kommt auch Konvertit Marshall aus wohlhabendem, aber emotional unterkühltem Hause, seine Kumpels Sperling und Akbar sind einfach gestrickte Mitläufer und zutiefst verirrte Jünger. Die Bombe allerdings, die sie zünden wollten, wäre verheerend, und so spitzt sich die Handlung bis zum Finale immer weiter zu, geradezu auswegslos für den Zuschauer, der an den Nägeln beißt.
Vor allem: Werden sie das versteckte Mikro finden, das Cenk Batu sich aufs Hinterteil geklebt hat?