Nürnberg. . „Wetten, dass“ ist die letzte Bastion der klassischen Samstagabendshows. Internationale Stars und spannende Wetten hat Thomas Gottschalk in den letzten 23 Jahren präsentiert. Nach der Sendung am Samstag bleibt die Frage: Kann „Wetten, dass“ ohne Gottschalk Spaß machen?

Was hat Thommy heute Abend an? Wie spontan, wie witzig ist er? Wie vielen Frauen tätschelt er die Knie? Am Samstagabend ging es nicht um die Wettkandidaten, nicht um die Stars. Es ging um Gottschalk, um seine „Abschiedstournée“, wie er selber sagt. Die Sendung ist eine der letzten drei, die Gottschalk noch moderieren wird.

Seit 1987 plaudert er mit Prominenten, schafft es, dem angestaubten deutschen TV-Programm ein bisschen Glanz und Glamour überzuwerfen. Dass er seinen Gästen in der Sendung aus Nürnberg nur Plattitüden und Werbung für sich selbst entlocken kann, ist keine Überraschung.

Kinderwett-Kandidat Hagen beeindruckt die Zuschauer

Das Format gibt nun mal keine tiefschürfenden Gespräche her. Trotzdem, der Zuschauer wird allein gelassen mit einer zugeknöpften Sarah Connor, die auch Jahre nach ihrem Auftritt im fast durchsichtigen Flammenkleid nicht das Geheimnis lüftet, ob sie damals Unterwäsche getragen hat. Begeistert berichtet sie von der Vox-Show X-Factor, betont, wie viele untentdeckte Talente in Deutschland rumliefen.

Ein solches Talent ist sicher der elfjährige Hagen, der - wie immer bei Kinderwetten - außerhalb der Konkurrenz startet: Er wettet, 100 Songs von AC/DC durch drei Takte Gitarrensolo zu erkennen. Er schafft die angesetzten vier von fünf Liedern, schmettert danach das Riff aus „Thunderstruck“ auf seiner Gitarre und steht anschließend mit Peter Maffay auf der Bühne.

Rowan Atkinson kommt kaum zum Zug

Die beiden spielen Highway to Hell, Gottschalk rast wie ein durchgeknallter Grundschüler auf einem Drehstuhl durch den Saal. Gut, der geneigte Zuschauer weiß, dassdieser Auftritt kein Ausbruch plötzlicher Spontaneität ist. Aber es sind genau die Momente, in denen Gottschalk beweist, warum er ein hinreißender Showmaster ist. Das Sakko mit dem Prilblumenmuster, die Althippie-Frisur, man nimmt ihm das alles nicht übel, im Gegenteil: Man liebt ihn für seine Schrulligkeit.

Weniger skurril ist der Auftritt von Rowan Atkinson. Der Meister des britischen Humors kommt leider überhaupt nicht zum Zug, darf keine Mister Bean-Grimassen schneiden, sondern nur über seinen neuen Film „Johnny English: Jetzt erst recht“ referieren.

Der Kampf Mann gegen Pferd

Da haben selbst die Wettkandidaten mehr Redezeit, wie Mike aus München. Er will 30 Schaumküsse in zwei Minuten essen. Die werden ihm allerdings nicht auf einem Silbertablett serviert: Sie stehen auf einem Hangelgerüst, an dem sich Mike durch Klimmzüge fortbewegen muss. Er verliert die Wette und bekommt auch von den Zuschauern den letzten Platz auf dem Kandidatentreppchen zugeteilt.

Hagen Brüggemann (11) erriet erst AC/DC-Lieder anhand weniger Sekunden langer Ausschnitte und rockte dann zusammen mit Peter Maffay die Halle. Foto: Getty
Hagen Brüggemann (11) erriet erst AC/DC-Lieder anhand weniger Sekunden langer Ausschnitte und rockte dann zusammen mit Peter Maffay die Halle. Foto: Getty © Getty Images

Wetten mit Sturzgefahr haben seit dem tragischen Unfall von Samuel Koch im Dezember 2010 einen schalen Beigeschmack. Und auch Wettkönig Amadei hätte sich bei seinem sportlichen Einsatz durchaus schwer verletzen können: Er wettet, einen Hindernisparcours schneller überwinden zu können als die international gefeierte Springreiterin Meredith Michaels-Beerbaum.

Ein Australier springt wie ein Frosch

Der feine Unterschied: Sie darf die Hürden mit ihrer Stute Golden Lady nehmen - ihr Herausforder Amadei springt selbst. Um nur eine Sekunde verfehlt er sein Ziel - denn Michaels-Beerbaum reitet, als wäre sie beim CHIO Aachen und nicht bei der Außenwette.

Mit starken 61 Prozent der Zuschauerstimmen setzt Amadei sich gegen seine Konkurrenten durch, darunter ein junger Mann, der mit verbundenen Augen die Schluckgeräusche von 30 Personen erkennen kann, und ein Trail-Bike-Fahrer, der mit seinem Mini-Fahrrad eine Rolltreppe hinaufhüpft. Auch der Australier Neil Whyte, der wie ein Frosch über 20 Gummibälle springen will, liegt weit abgeschlagen hinter Sieger Amadei.

Gottschalk, Gefühle und Grandezza

Es gab schon größere Momente bei „Wetten, dass“. Das zeigen auch die kurzen Einspieler wie die Top 10 der musikalischen Auftritte, an deren Spitze Michael Jackson mit „Earth Song“ steht. Auch diese Momente sind unmittelbar mit Gottschalk verbunden: Kreischende Teenies bei Take That ertragen, Jennifer Lopez’ Po huldigen, Grönemeyers großen Gefühlen Raum bieten: Das alles kann Gottschalk mit einer Grandezza, die trotzdem unverkrampft bleibt. Als Joss Stone und Ex-Eurythmics-Gitarrist Dave Stewart einen grandiosen Auftritt liefern, spricht Gottschalk richtig von „Club-Atmösphäre“.

Noch mehr Beiträge aus vergangenen Sendungen hätten der Show gut getan. Denn auch wenn Zuschauer über Wiederholungen im Fernsehen schimpfen: „Wetten, dass“ lebt vom immer wiederkehrenden Gottschalk.