Ruhrgebiet. Vor 50 Jahren erschien das erste Perry-Rhodan-Heft, ein Ende ist nicht in Sicht. Es ist die wahre unendliche Geschichte der deutschen Science Fiction. Ein eigenes Perrypedia mit 24 326 Einträgen soll für Durchblick sorgen. Wir wagen einen Rückblick.
Es gibt diese Szene, da erzählt der Perry-Rhodan-Fan Johan Wechx von seinem nahezu finalen Krankenhausaufenthalt. Er sei in der Nacht aufgewacht und habe sich nicht mehr bewegen können, erinnert sich der etwa 60-jährige Holländer; Minuten lag er da in Todesängsten, und was ihm durch den Kopf ging, das war dies: „Jetzt wirst du nie erfahren, wie Perry Rhodan ausgeht!“
Dazu muss man sagen: Wechx geht es längst wieder gut, er macht eigentlich einen munteren Eindruck in diesem neuen Dokumentarfilm „Unser Mann im All“; doch sind mit seinem Überleben seine Chancen leider kaum gestiegen, zu erfahren, wie Perry Rhodan ausgeht. Denn ein Ende ist einfach nicht in Sicht: Perry Rhodan ist die größere space odyssey, ist die wahre unendliche Geschichte der deutschen Science Fiction.
Rund 4000 zusammenhängende Romane
Am 8. September 1961 erschien das erste Heft, und rechnet man heute alle Taschenbücher und Nebenserien mit ein, reden wir über rund 4000 irgendwie zusammenhängende Romane – das ist die umfangreichste Erzählung der Welt. Die Autoren der ersten Generation sind längst tot, aber Rhodan fliegt und fliegt und fliegt. Unendliche Zeiten.
„Der Erfolg erklärt sich von den Lesern her, mit Glück und Strategie wurden sie angebunden“, sagt Wim Vandemaan. Der Gelsenkirchener hält sich selbst für einen „geringfügigen Autor“, denn er hat bisher erst 14 Hefte geschrieben, aber in der Analyse ist er klar: Rhodan segelt mit dem Zeitgeist. Unser Mann am Ball.
„Inneren Kosmos akzeptieren die Leser nicht“
Als in den 60er-Jahren kalter Krieg herrscht, ballern seine Raumflotten galaktisches Gesocks entschlossen weg; doch als die Friedensbewegung aufkommt, wird auch die Serie immer verständnisvoller noch zum gröbsten Extraterrestrier. Und heute geht man nach zahlreichen Experimenten einen Mittelweg: „Inneren Kosmos akzeptieren die Leser nicht“, sagt Wim Vandemaan – stattdessen führte man zuletzt „den kurzen, aber furchtbaren Krieg gegen die Frequenz-Monarchie“, so ein Klappentext.
Denn hier hängt alles mit allem zusammen: Nach 50 Jahren Realzeit und 3085 Jahren Handlung gibt es tausende eingeführte Völker und Konflikte, Planeten und Personen. Das durchschaut zwar niemand mehr, auch die Autoren nicht, doch zum Glück gibt es ja ein eigenes Perrypedia mit 24 326 Einträgen. Wo das folgende als anregendes Lesehäppchen gilt: „Schon gewusst, dass Seth-Apophis im Jahre 424 NGZ mit der Info-Seuche dafür sorgte, dass Tiere und Pflanzen des Solsystems intelligent wurden?“
Diese Komplexität macht es neuen Lesern ungeheuer schwer, einzusteigen; alte aber empfinden großes Glück, wenn sie solche Sätze locker verstehen: „Schon die Halbspur-Changeure hatten dorthin – ähnlich wie nach Anthuresta – keine Verbindung herstellen können. Zwar wurden Polyport-Höfe und Distribut-Depots in den Controllern angezeigt, doch Transferkamine ließen sich nicht schalten . . .“ Man ist dann auch nicht mehr überrascht, zu erfahren: Die Rhodan-Leser sind Männer mit Abitur und ausgeprägtem Hang zur Technik. Und damit kommen wir zu Rhodans Problem: Die Gegenwart hat ihn teilweise überholt, in den alten Heften werden zum veralteten Beispiel Raumschiffe noch mit Lochkarten programmiert, der Verlag kann sie daher nicht mehr auflegen. Deshalb fliegt Perry Rhodan jetzt noch mal von vorne los. „Perry Rhodan neo“: Die Serie wird von Heft 1 an wieder völlig neu geschrieben, nur beginnt die Handlung dann nicht mehr 1971, sondern 2038.
Jüngeres Publikum
Der Kern der Geschichte bleibt der gleiche: Mondlandung, Begegnung mit Außerirdischen, Einigung der Erde, Expansion – drumherum aber sind es neue Romane auf dem heutigen Stand der Technik. Damit will man „ein jüngeres Publikum gewinnen. Wir haben Leute vor Augen, denen die alten Hefte zu altertümlich sind und die auch keine Kindheitserinnerungen damit verbinden“, so Vandemaan.
Kurz: Man wird neu lernen müssen, wie Perry Rhodan anfängt.