Bergisch Gladbach. Helmut Rellergerd ist „Jason Dark” – einer der erfolgreichsten Autoren der Welt. 1973 erschien der erste Heftroman mit dem „Geisterjäger John Sinclair”. Bisher wurden mehr als 300 Millionen der Geschichten verkauft.
Der Fürst der Finsternis lebt im weiß getünchten Reihenhaus. Mitten in einem ruhigen Wohngebiet in Bergisch Gladbach. Hier steigt Helmut Rellergerd allmorgendlich die Stufen zum Dachgeschoss empor. Setzt sich an seinen schwarzen Schreibtisch, schaltet das Radio ein, spannt Papier in seine museumsreife Schreibmaschine. In seinem Büro wird Rellergerd zu Jason Dark, dem Meister des Grauens, zu einem der meistgelesenen Autoren der Welt. Und „John Sinclair”, der Geisterjäger aus den gleichnamigen Groschenromanen, nimmt seinen Kampf gegen das Böse auf.
Tacktacktacktack. Mit brutaler Geschwindigkeit bearbeitet Rellergerd die alte Olympia, Model Monica Deluxe. Buchstaben, Worte, Sätze – Stück für Stück setzen sich hier seit über 30 Jahren die Geschichten um John Sinclair zusammen. Rellergerds Held untersucht den „Spuk im Leichenschloss”, bekämpft das „Phantom der Hölle”, vernimmt „Schreie aus der Horror-Gruft” oder erforscht den „Friedhof am Ende der Welt”.
Es ist der Kampf Gut gegen Böse, allwöchentlich auf knapp 65 Seiten ausgefochten. Gerade liegt Ausgabe 1603 am Kiosk, Nummer 1614 wird gerade geschrieben. Mit Werwölfen wird sich Sinclair anlegen, verrät Rellergerd. Und auch dieses Heft wird sich bis zu 20.000 Mal verkaufen.
"Soll ich den ganzen Tag rumhängen?"
Die Fangemeinde ist treu. Mehr als 300 Millionen Sinclair-Abenteuer hat der Bastei-Verlag verkauft, die Hörspiele der Gruselreihe gehören zu den erfolgreichsten Deutschlands. Im April erscheint die 50. Vertonung als aufwändige Sammleredition. Kein Wunder, dass Rellergerd mit 64 Jahren nicht ans Aufhören denkt. „Soll ich den ganzen Tag rumhängen?”
Nein, zum Rumhängen scheint er wirklich nicht gemacht zu sein, der Mann mit dem drahtigen Körperbau, dem schneeweißen Haar und den wachen Augen. Zu viele Ideen wollen verwirklicht werden, längst ist das Klacken der Schreibmaschine für ihn ebenso lebenswichtig wie das Schlagen seines Herzens. Und zusammen sind sie gealtert, der Serienheld John Sinclair, der Autor Helmut Rellergerd – und die Schreibmaschine. „Anfangs war John ein Draufgänger, es gab mehr Action. Heute reflektiert er viel. Das haben wir gemeinsam. Nur, dass Sinclair alle zehn Jahre vielleicht ein Jahr älter wird”, sagt Rellergerd lachend.
In Dortmund aufgewachsen
Romanautor oder Sportreporter wollte der in Dortmund aufgewachsene Rellergerd in seiner Jugend werden. Doch die Eltern sprachen ein Machtwort, der Sohn trat eine Lehre als Chemotechniker an. Und versuchte sich trotzdem als Autor. Auf Papas Schreibmaschine entstanden erste Detektivgeschichten, die Rellergerd beharrlich an den Bastei-Verlag schickte. Mit Erfolg. 1973 wurde er angestellt, ließ in der Reihe „Gespenster-Krimi” einen Oberinspektor des Scotland Yard regelmäßig gegen das Böse kämpfen: John Sinclair. „Ich war zu faul, mir neue Helden auszudenken. Also hielt ich an ihm fest”, erinnert sich Rellergerd. 1978 erhielt der Geisterjäger seine eigene Serie – und wurde zum Zugpferd eines Genres.
Wirklich reich geworden, das ist Rellergerd trotz des Erfolgs nicht. 1300 Euro bekommt er für ein Manuskript, gehört damit noch zu den Topverdienern im Heftchenmarkt. „Aber das ist mir nicht so wichtig”, sagt er. „Wichtig ist, dass John Sinclair weiterlebt.”
Was außer Frage steht. Den Dämon des weißen Blatts bekämpft Rellergerd täglich mit Erfolg, lässt sich von seinem Umfeld inspirieren. Ehefrau Roswitha trat mehrfach in den Romanen auf, der rabiate Hauskater Oskar inspirierte ihn zur Geschichte „Killer-Katzen”, die pubertierende Nichte fand sich als „Miss Monster” wieder. Rellergerd lacht: „Was glauben Sie, wie oft ich die Verwandten in meinen Heften um die Ecke gebracht habe, wenn ich einen Namen brauchte?”
In England war er nie
Die wenigsten der Roman-Schauplätze hat Rellergerd je besucht. Selbst in England, wo die meisten Geschichten spielen, war der zweifache Großvater noch nie. „Ich weiß ja nicht, wie das Essen da schmeckt.”
Apropos Essen: Es ist 13 Uhr, Rellergerd macht Feierabend. Wie der sich gerade in Arbeit befindende Roman 1614 über den Kampf mit den Werwölfen endet? Der Autor lächelt: „Das weiß ich nicht, das kommt während des Schreibens. Das Ende kenne ich spätestens übermorgen.”