Bochum. . Für so etwas wie den Bahnhof Langendreer gibt es einen abstrakten Namen – Soziokulturelles Zentrum. Tatsächlich aber ist das, was dort an Musik, Kleinkunst, Lesungen und nicht zuletzt an exzellentem Kino stattfindet eine sehr sinnliche Sache.
Eigentlich sollte er abgerissen werden, der alte Bahnhof Langendreer. Die Bahn hatte das Gebäude stillgelegt, um ein paar Hundert Meter weiter den neuen S-Bahnhof Langendreer zu bauen. „1983/84 war der alte Bahnhof eine Ruine, die Fenster waren eingeschmissen“, erinnert sich Gerd Spieckermann, heute Vorstandsmitglied im Kulturzentrum Bahnhof Langendreer. Die Fabrikbesetzer-Szene kämpfte für den Erhalt, bis zu 5000 Menschen waren bei Demonstrationen dabei, bald formierte sich eine Initiative Bahnhof Langendreer, schließlich handelte es sich um ein herausragendes Gebäude im Stadtteil.
Nachdem auch die örtlichen Politiker überzeugt waren, wurde das Gebäude für damals 2,6 Millionen Mark umgebaut – doch damit nicht genug. „So mancher heutige Mitarbeiter ist auf Fotos von damals im Blaumann zu sehen“, sagt Spieckermann. Man legte selbst Hand an, 300 000 Mark seien an „Muskelhypothek“ in den Bau geflossen, schätzt er.
Das Engagement lohnte sich. Nach der Eröffnung 1986 wurde das Kulturzentrum sofort angenommen. „Endlich hatten die Leute einen Ort, an dem ihre Musik gespielt wurde“, erinnert sich Spieckermann. Die Leute, das war natürlich vorwiegend die alternative Szene. Angesichts von Friedensbewegung oder Anti-Atomkraft-Bewegung verwundert auch das Programm nicht, mit dem das Kulturzentrum Bahnhof Langendreer an den Start ging: Weltmusik, Lesungen, Vorträge zum Thema Dritte Welt/Eine Welt.
Das erste Konzert von Herbert Knebel
„Diese Dinge haben sich bis heute durchgezogen“, sagt Gerd Spieckermann. Auch Nachwuchsförderung sei von Anfang an ein Thema gewesen. Junge Bands oder Kabarettisten fanden hier ihre erste Bühne, konnten groß werden. „Ich kann mich noch an das erste Konzert von Herbert Knebel erinnern“, erzählt Spieckermann. „Vor 50 Leuten in der Zeche Carl in Essen.“ Kurze Zeit später stand Knebel auch im Bahnhof auf der Bühne. So könne man die Entwicklung vieler Künstler von Anfang an verfolgen – Missfits, Helge Schneider, Dieter Nuhr.
Wenn der große Saal des Bahnhofs, der maximal 650 Gäste fasst, nicht mehr ausreicht, dann weichen die Veranstalter vom Bahnhof heute gerne auf die Freilichtbühne Wattenscheid oder die Jahrhunderthalle aus. So seien „Die Popolskis“ gerade über den großen Saal hinausgewachsen, sagt Spieckermann.
Viel Stammpublikum bei den Gästen
Und die Gäste? Da ist viel Stammpublikum, und nicht wenige sind schon seit den Anfängen dabei. „Und viele, die als Zweijährige schon am Eltern-Kind-Kurs teilgenommen haben, stehen heute bei uns an der Konzertkasse“, sagt Andrea Gollnow, ebenfalls im Bahnhofs-Vorstand. Es ist heute schwieriger, eine mit den neuen Medien aufwachsende Jugend in ein Programmkino wie das endstation.kino im Bahnhof zu locken. Doch die kommt dafür zu den Discos.
Was es da noch bedeutet, ein soziokulturelles Zentrum zu sein? Nun, gerade ist im Bahnhof Langendreer eine Reihe mit Literaten aus Afrika und Lateinamerika angelaufen. „Die sind in ihrer Heimat berühmt, nur hier werden sie noch nicht wahrgenommen“, sagt Gerd Spieckermann. Bei der letzten Lesung seien gut 60 Gäste gekommen. „Von der Qualität her müssten es 250 sein.“ Doch genau dazu sei ein Kulturzentrum ja da: neue Blickwinkel, neue Richtungen der Kultur zu erspüren.
Die Besucherzahlen steigen
Ein Fünftel des Jahresbudgets von rund 1,4 Millionen kommen von der Stadt Bochum. Der Umsatz steigt, die Besucherzahlen auch. 160 000 waren es im letzten Jahr. Zwei Azubis werden als Veranstaltungskaufleute ausgebildet – mittlerweile ist der dritte Jahrgang dabei. Was er sich zum 25. Geburtstag des Bahnhofs Langendreer wünscht? „Eine Strategie, unser Team weiter zu verjüngen. Und Geld, um den Investitionsstau abzubauen.“