Oberhausen. . Im Januar hat Neil Diamond seinen 70. Geburtstag gefeiert. Das hält das Urgestein amerikanischer Popmusik mit seinen unzähligen Hits jedoch nicht davon ab, auf Tournee zu gehen. Seine aktuelle Station war die Arena Oberhausen.
Gerne spricht man ja von der generationsübergreifenden Wirkung von Altstars. Wenn also Großväter und Enkel einträchtig nebeneinander sitzen, wenn Bob Dylan oder Eric Clapton ihre reife Kunst zelebrieren. Bei Neil Diamond ist das anders, da wird die Arena Oberhausen am Montagabend zur ausgelassenen Party der 60+-Generation. Weißhaarige Damen im feinen Cocktailkleid wiegen sich da ebenso selbstvergessen im Rhythmus der Musik wie ältere Herren, die längst ihre Rente beziehen.
Da hat der 70-jährige Neil Diamond sich vor sechs Jahren neu erfunden, hat mit Hilfe des Produzenten Rick Rubin der Welt noch einmal bewiesen, dass er mehr ist als ein verlässlicher Popsong-Lieferant. Und dann packt der Künstler auf seiner Tournee doch nur wieder die Hitmaschine aus, wandert mit Hilfe einer elfköpfigen Band durch seine große Zeit von 1966 bis 1980 und reiht einen Ohrwurm an den anderen.
Sein Bariton füllt die Halle
Der Opener „Soolaimon“ ist noch nicht vorbei, da steht die sichtlich nicht ausverkaufte Halle auf den Beinen und jubelt ihrem Idol zu. Diamond, der schon 1966 Hits für andere schrieb, hat es ja auch noch immer drauf. Sein Bariton füllt die Halle mühelos. Und Songs wie „Solitary Man“ oder „Beautiful Noise“ künden auch heute noch davon, dass graue Konfektion nie das Ding dieses Komponisten und Texters war. „I’m a Believer“, das er einst für die Monkees schrieb, präsentiert er gleich in zwei Fassungen.
Einmal als im Sitzen vorgetragene gediegene Ballade, einmal in der ursprünglichen Rock-Fassung. Neil Diamond beherrscht beides, gemahnt in den intimen Momenten in seiner Körpersprache ein wenig an Frank Sinatra, kann aber immer auch noch mühelos den Rocker geben.
Diamond on stage
Bei „Sweet Caroline“ singt die Halle
Wenn er nur nicht derart den Menschenfischer spielen würde, der ständig die Bühnenseiten wechselt, um sich mit großen Gesten hier wie dort die Entzückensschreie der älteren Damen abzuholen. Und der dann ein wenig staunend vor der Menge steht und sich scheinbar wundert über die Wiedererweckung all dieses nicht mehr allzu festen Fleisches. Dabei weiß er doch genau, dass er den Menschen gibt, was sie wollen: Bei „Sweet Caroline“ überlässt er den Refrain der Halle, immer und immer wieder, weil’s so schön war und damit jeder sich angesprochen fühlen kann.
Überhaupt liebt dieses Publikum all die Songs, bei denen man stehend mitklatschen kann, Neil Diamonds leisere Versuche ernten nur Achtungsapplaus. „Hell Yeah“ etwa, der jüngste Song an diesem Abend, vor sechs Jahren auf dem Comeback-Album „12 Songs“ erschienen. Oder „Glory Road“ mit all seiner Traurigkeit, eine Rückbesinnung auf die blutigen 60er -Jahre in den USA. Andere Kollegen in Diamonds Alter sind längst ins Wachsfigurenkabinett nach Las Vegas gewechselt. Es ehrt den Künstler, dass er sein volles Songbook weltweit noch live präsentiert.