Essen. . Neil Diamond wird am Montag 70 Jahre alt. Sein Image als Schmusesänger hat er längst abgelegt.
Beinahe hätte er sich „Noah Kaminsky“ genannt, damals in den 1960er Jahren, als er anfing zu singen. „Mein bürgerlicher Name langweilte mich“, hat er mal gesagt. Zum Glück hat er sich dann doch noch besonnen und ist unter seinem richtigen Namen aufgetreten. Neil Diamond. Montag feiert er seinen 70. Geburtstag. Und singt immer noch. Nicht weil er muss, sondern weil er will.
Mit 16 Jahren hat der erste von zwei Söhnen einer jüdisch-polnisch-russischen Einwandererfamilie angefangen mit der Musik. Hat zu Hause in Brooklyn ein wenig geschrammelt auf der gebrauchten Gitarre, die seine Eltern ihm zum 16. Geburtstag geschenkt hatten. An der High-School singt er dann im Chor. Zusammen mit einem Mädchen, das Barbra Streisand heißt und wenig später Weltkarriere macht.
Bei Diamond dauert es ein wenig länger bis zum ganz großen Durchbruch. Auch weil er eigentlich Arzt werden will. „Ich wollte ein Mittel gegen Krebs finden.“ Nebenbei schreibt er Lieder. Das macht er so gut, dass eine Musikfirma ihm dafür 50 Dollar die Woche zahlen will. Da hängt Diamond das Studium an den Nagel. Ins Rampenlicht aber tritt er noch nicht. „Ich dachte nie daran, professioneller Sänger zu werden.“ Stattdessen schreibt er Lieder für die Monkees, Cliff Richard oder auch Elvis Presley. Erst 1966 greift er selbst zum Mikrofon. „Solitary Man“ wird sein erster großer Hit in den USA. Von da an eilt Diamond von Erfolg zu Erfolg. Vom „Red Red Wine“ singt er oder über „Sweet Caroline“. Den „jüdischen Elvis“ nennen Kritiker ihn, wenn sie es gut mit ihm meinen. Die anderen sagen „Schnulzensänger“. Dem Publikum ist das egal. Millionenfach kauft es seine Platten. Ab Mitte der 1970er Jahre auch in Deutschland. Die „Longfellow Serenade“ ist hier sein erster von vielen Hits. Insgesamt 222 Wochen sind seine Singles damals in den deutschen Hitparaden vertreten. Die Deutschen träumen mit ihm. Manchmal auch von ihm.
Privat geht es ihm weniger gut. 1979 fällt er in San Francisco auf der Bühne und kann nicht wieder aufstehen. Im Krankenhaus entdecken Ärzte einen Tumor nahe der Wirbelsäule. „Beinahe wäre ich im Rollstuhl geendet.“ Doch die Operation gelingt. Mühsam lernt Diamond wieder laufen, Schmerzen hat er bis heute.
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Doch das hindert ihn nicht daran, weiter auf der Bühne zu stehen. Und sein Publikum bleibt ihm treu, auch als die ganz großen Singlehits ausbleiben. Allein in den 1990er Jahren spielt Diamond mit seinen Konzerten rund 180 Millionen Dollar ein.
Im mit Pailletten besetzten Overall entführt er seine Fans von der Bühne aus immer wieder in seine musikalische Vergangenheit. Im Studio aber geht er andere Wege. Wege, auf denen ihn Rick Rubin begleitet, der legendäre Produzent, der auch Johnny Cash zu neuem Ruhm führte. Unter seiner Regie nimmt der Vater von vier Kindern 2005 die spartanisch arrangierten Alben „12 Songs“ und „Home Before Dark“ auf, das in den USA nach langer Zeit endlich wieder die Spitze der Charts erklimmt.
Getragen oft nur von der Kraft seiner Stimme
Ganz so hoch schafft es sein vor wenigen Wochen erschienenes Album „Dreams“ nicht. Der Mann, dessen Lieder hundertfach gecovert worden sind, covert hier selbst. Songs von Bill Withers, Leonard Cohen oder den Beatles hat er aufgenommen. Weitgehend akustisch, getragen oft nur von der Kraft seiner Stimme. Weit entfernt bleibt er damit von den Verkaufszahlen der 1960er und 1970er Jahre.
Aber Schnulzensänger nennt ihn jetzt niemand mehr.