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Schloss Moyland zeigt den Künstler im Fokus der Fotografie – doch der Zank um das Vermächtnis des niederrheinischen Kunstrevoluzzers und Politaktivisten Joseph Beuys ist längst nicht am Ende.

Eine mokante Empfehlung zum Besuch einer Beuys-Foto-Ausstellung auf Schloss Moyland lautet, sich zu beeilen, bevor sie per einstweiliger Verfügung wieder geschlossen wird. Denn seit das letzte Projekt mit Arbeiten von Manfred Tischer über ein Beuys-Happening das vorzeitige Aus erlebte, gilt eine Fotoschau als juristisches Wagnis.

Der Streit zwischen dem niederrheinischen Museum und der Bonner Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, der im Juli am Düsseldorfer Oberlandesgericht in die zweite Instanz geht, dreht sich rechtlich um die Frage, ob ein Fotograf, der eine Performance aufnimmt, ins Urheberrecht des Künstlers eingreift, weil er den Handlungsablauf auf wenige Aufnahmen verkürzt.

Der eine nennt es Zensur, der andere einen „Sturm im Wasserglas“

Im Grundsatz geht es um viel mehr. Es geht um atmosphärische Störungen zwischen der Stiftung Museum Moyland und den Beuys-Erben. Es geht um eine Künstlerwitwe, die gefragt werden will und ein Museum, das Forschungsfreiheit verlangt. Für manche geht es in diesem Rechtsstreit sogar um Zensur und die Verteidigung der Pressefreiheit.

Für Gerhard Pfennig, als Anwalt der Künstler-Witwe Eva Beuys und Chef der VG Bild-Kunst in heikler Personalunion, geht es eigentlich um „einen Sturm im Wasserglas“. Die VG Wort habe kein Interesse an einem Prozess, sagt Pfennig, pocht aber weiter auf seine Rechtsauffassung. Wenn Moyland sich nicht bewege, „kracht es weiter“.

Vielleicht kann man es dennoch als Zeichen der Entspannung werten, dass Bonn grünes Licht gibt für die Ausstellung „Im Fokus – Joseph Beuys und die Fotografie“. Anders als bei der Tischer-Schau habe das Museum das Gespräch mit Eva Beuys gesucht, erklärt Pfennig auf Anfrage. Diesmal sollen nicht die Juristen nach Moyland kommen, sondern das Publikum.

Schon zu Lebzeiten ein Mythos

200 Aufnahmen von 40 Fotografen geben dabei erstmals einen Einblick ins stolze Moyländer Beuys-Archiv mit seinen über 7000 Fotografien. Sie unterstreichen die Bedeutung, die die Fotografie für das Werk des niederrheinischen Kunst-Predigers und Performers gehabt hat, der am 12. Mai 90 Jahre alt würde. Dabei habe der Filz- und Fettexperte selbst nie eine Kamera in der Hand gehabt hat und der Fotografie eher kritisch gegenübergestanden, sagt Kuratorin Stefanie Heckmann.

Diese „eingefrorenen Momente“ wollen eigentlich nicht zu einem passen, dessen künstlerisches Credo der Wärmeprozess ist. Und doch begreift Beuys die Fotografie als Instrument der Selbstinszenierung. Durch die Bilder wird die Marke Beuys geschaffen. Der Mann mit dem Hut und der Anglerweste wird so schon zu Lebzeiten ein Mythos.

Die totale Verschmelzung von Kunst und Leben hat freilich auch ihre Krux. Während das musealisierte Beuys-Werk heute ein wenig den Künstler und seine Aura vermissen lässt, fehlt hier, wo der Mensch Beuys im Vordergrund steht, manchmal sein Werk. Wer Aktionen wie „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ für die kryptische Chiffre eines Kunst-Scharlatanen hält, der wird auch nach Ansicht dieser dichten, in schützendes 50-Lux-Licht getauchten Bilderschau dem Kunst-Utopisten und Weltveränderungs-Prediger nicht näher kommen.

Und doch schärft die Schau mit ihren unterschiedlichen Fotopositionen von Robert Lebeck bis Bernd Jansen den Beuys-Blick. Auf den politischen Revoluzzer, der für die Grünen Wahlkampf macht. Auf den hageren Schmerzensmann, der so herzhaft lachen kann. Auf den Kunst-Aktivisten, der das Büro der „Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ 1968 auf der documenta 5 eröffnet. Auf den bodenständigen Charismatiker, der sich nach dem Rauswurf aus der Düsseldorfer Akademie in der New Yorker Galerie von Rene Block 1974 zum Kunstabenteuer mit Kojoten trifft.

Mit heiligem Ernst

In vielen Bildern scheint das nüchterne Schwarzweiß geradezu durchdrungen von der mythischen Dimension und dem heiligen Ernst der Aktionen, insbesondere in den Fotos der 2010 verstorbenen Beuys-Dokumentaristin Ute Klophaus. Vermutlich hat nicht nur sie früh erkannt, dass Beuys selbst die größte soziale Plastik ist, die der Mann mit dem Hut jemals erschaffen hat. Und ein fotogener Mann.