Moyland. .
Es geht wieder eine Beuys-Welle durchs Land, ganz ohne Anlass. Einer am Samstag öffnenden Ausstellung auf Schloss Moyland folgen schon bald Retrospektiven des Künstlers in der Kunstsammlung NRW und im Landesmuseum Münster.
Der florierenden Beuys-Konjunktur nach dem Tod des Kunst-Schamanen im Januar 1986 folgten zuletzt Jahre der Stille. Selbst der Kunstmarkt notierte stagnierende oder sinkende Preise für seine Werke. Doch jetzt geht, ganz ohne einen Jubiläums- oder sonstigen Anlass, wieder eine Beuys-Welle durch das Land, die staunen lässt: In der kommenden Woche eröffnet die Kunstsammlung NRW mit einem Beuys-Paukenschlag ihr millionenschweres „Quadriennale“-Kunstkonzert. Zwei Wochen drauf zeigt das Landesmuseum in Münster Kunst, die sich mit Beuys auseinandersetzt: „Neue Alchemie“.
Und schon am Samstag setzt sich das niederrheinische Museum Schloss Moyland an die Spitze der neuesten Beuys-Bewegung. Während der Kern des Schlosses umgebaut wird, wuchert man in der Vorburg mit den wahren Pretiosen des Hauses: Von den geschätzt rund 25 000 Zeichnungen des Künstlers lagern gut 6000 in den Tresoren der neugotischen Trutzburg – und 212 von ihnen bestreiten nun die Ausstellung „Energieplan“.
Fast immer ein heikles Geschäft
Mit den zarten Blättern aus Beuys’ Frühwerk ist gut auftrumpfen. Ihr Rang ist unbestritten. Jean-Christophe Ammann, der die Moyländer Ausstellung federführend kuratiert hat, ist sogar sicher: „Joseph Beuys ist der größte Zeichner des 20. Jahrhunderts.“ Dagegen ist die Ausstellung von Beuys-Installationen und -Aktionsreliquien fast immer ein heikles Geschäft. Ihnen fehlt die Aura des Originals. Und um ihnen gerecht zu werden, ist eine Ausstellung eigentlich das falsche Format, es müssten mindestens Seminare mit integrierter Filmvorführung sein. Nicht von ungefähr fragte jüngst eine kluge Vortragsreihe der Kunstsammlung NRW fast zaghaft: „Beuys ausstellen?“
Bei den Zeichnungen gibt es dagegen nur eine Schwierigkeit – das 50-Lux-Hindernis. Jean-Christophe Ammann spricht von „Tangostimmung“ und „Novemberlicht“. Um die mit Bleistift, Wasserfarben oder Tusche ohnehin oft zag und zart aufs Blatt gehauchten Werke vor dem Dahinbleichen zu bewahren, muss die Beleuchtung gedämpft werden. Zumal sich der Beuys’sche Kreativitätsstrom auf alles ergoss, was nicht rechtzeitig weglaufen konnte: karierte wie linierte Hefte, Kaffeetüten, Paris-Reiseführer, Zeitungsseiten und Transparentpapier.
Soziale Wärmeprozesse
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Die „Energieplan“-Schau ist nicht gerade ein Menü von „Leckerbissen“, von denen es unter den frühen Zeichnungen von Beuys viele gibt. Die Arbeiten sind nach Themen wie „Aberglaube“, „Christuskraft“ oder „Soziale Wärmeprozesse“ gruppiert. Und es stimmt, dass der Schlüsselbegriff des „Energieplans“, den Moyland jetzt mit Macht in die Mitte rückt, von der Gemeinde der Beuys-Deuter bislang unbeachtet blieb. Am Ende aber schließt auch er nur ein Werk auf, das eine ganzheitliche Weltumarmung spiegelt.
Beuys fühlte mit dem Hirn und dachte „sowieso mit dem Knie“, wie er selbst behauptete. Auch in den Moyländer Zeichnungen wird alles eins, die wunderbaren „Hasen im Schnee“ mit dem „Aggregat“ und dem „Labor“. Oder „Dschingis Khans Zweite Flagge“ (Beuys hatte Witz!) mit Zeichnungen zu einem Auschwitz-Mahnmal und einer „Allegorie des Denkens“, die im Brustkorb eines Menschen einen Obelisken erstrahlen lässt.
Und ein paar „Leckerbissen“ voller sinnlicher Wucht, wie Beuys sie gerade mit sparsam aufgetragenen Wasserfarben aufs Papier zaubern konnte, bietet die Ausstellung selbstverständlich doch: Da ist das unbetitelte, feuerrot leuchtende Elch-Blatt, da sind „Mann und Frau“, die mit verdünnter Beize, Bleistift und Deckweiß einen ganzen Roman erzählen, und da ist das hinreißende Wasserfarbenblatt, auf dem fünf Tulpen und tanzende Schemen beweisen, dass es eben doch Feen und Elfen gibt.
- Beuys: Energieplan. Schloss Moyland (Am Schloss 4). Bis 20. März 2011, Eröffnung: 4. September, 18 Uhr. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 11 bis 18 Uhr, samstags und sonntags 10 bis18 Uhr, ab 1. Oktober nur bis 17 Uhr.