Essen. . „Perform deine Persönlichkeit!“ ist das Motto im Hip-Hop-Projekt „Critical Mess“ am Essener Grillo-Theater. Choreograf Samir Akika konfrontiert dabei die freie Szene mit dem Stadttheater, die No-Wave-Band mit Opernsängern. Gegensätze wie noch nie.

Links ein Schild für die Subkultur, rechts eins für die Hochkultur. Links der Schutzhelm und das Messer. Rechts der Pelzumhang und die Blume. Dann sollen sich die Darsteller selbst zuordnen: „Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht…“.

Es ist ein dämliches Spiel. Aber auf die simpelste Art zeigt es, wie überflüssig die klare Trennung der beiden Begriffe geworden ist.

Samir Akika, Choreograf und Pina Bausch-Schüler, durchleuchtet das unübersichtlich gewordene Themenfeld im Essener Grillo Theater. „Headspin Critical Mess“ hat er zusammen mit der Dramaturgin und Regisseurin Anna K. Becker und dem Autor Sebastian Zarzutzki entwickelt. Da trifft freie Szene auf Stadttheater, Hip-Hopper auf Schauspieler, No-Wave-Band auf Opernsänger. Nach dem Motto: Perform deine Persönlichkeit! Selbst Bühnenprofis sind hier Experten des Alltags, des Künstleralltags.

Rebellion wird auch getanzt

Da erzählt eine Tänzerin dass sie nach fünf Jahren als Ensemblemitglied wieder frei arbeitet. Weil sie die Routine satt hatte, den immer gleichen Rhythmus. Rebellion wird auch getanzt. Als verzweifelter Befreiungsakt wie bei Katrin Banse, die sich nicht nur in einem Leben aus Zeitströmungen, sondern auch in ihrem Kapuzenpulli verhakt. Und es gibt die wunderbare Form der Spartenmischung: Wenn Pablo Botinelli Schuberts „Winterreise“ zu Stefan Kirchhoffs Beatboxing singt. Oder ein Breakdancer geschmeidige Körperwellen zur klassischen Klaviermusik schlägt. Das berührt, weil Unbekanntes kombiniert wird und erstaunlich gut zusammenpasst. Eine beeindruckende Ensembleenergie.

Aber die Harmonie hat auch ihre Kehrseite. Auf der Bühne kann kein originärer Protest stattfinden. Nichts hat den Hauch von Illegalität in diesem subventionierten Raum der Bürgerlichkeit. Provokation wird lediglich zitiert, in Form von Graffiti-Videos oder Schock-Rocker-Musik. Heute besetzt der kulturelle Mainstream jeden individuellen Stil, das ist die bittere Erkenntnis des mal komischen, mal tragikomischen Abends. Die Subkultur ist im Stadttheater angekommen. Dem tut’s gut. Aber so richtig wohl ist einem dabei nicht.

30. März, 10., 16. und 28. April. Karten: Tel. 0201/8122200