Berlin. Eine Schule im Ukraine-Krieg: Für ihren Dokumentarfilm im Wettbewerb hat Kateryna Gornostai junge Menschen mit der Kamera begleitet.
Fürs Leben, nicht für die Schule lernen wir: Der Krieg verleiht diesem Spruch von Seneca eine akut andere Bedeutung. Das zeigt die ukrainische Filmemacherin Kateryna Gornostai in ihrem Dokumentarfilm „Strichka chasu“, der im Berlinale-Wettbewerb läuft. Etwa ein Jahr lang hat Gornostai an verschiedenen Orten in ihrem Heimatland Schülerinnen und Schüler mit der Kamera begleitet.
Mal im befreiten Butscha nahe der Hauptstadt Kiew, mal im besetzten Bachmut, mal in Zarichne, das zum Zeitpunkt der Dreharbeiten nur knapp 20 Kilometer von der Front entfernt liegt. Tief hat sich der Kriegszustand in den Schulalltag eingegraben. Die Jüngeren lernen, wie man eine Notfalltasche packt: Wasser, Handy, Verbandmaterial zählt die Klasse auf. Im Englischunterricht benennen die Grundschüler Spielsachen. „Danger!“ rufen sie, wenn eines der Stofftiere auf den Bildern mit einer Bombe versehen ist.
Bei Luftalarm zieht die ganze Schule in den Keller
Die Älteren steuern Drohnen oder schmieden Eisenklammern für den Bau von Bunkern. Bei Luftalarm zieht die ganze Schule in den Keller. Dort zeigt der Lehrer, wie man ein Tourniquet anlegt, um das Verbluten Verletzter zu verhindern. Von der Markierung auf den Tourniquets hat der Film auch seinen Titel: „Time Stamp“ heißt er im Englischen, „Zeitstempel“.
Ihr Material breitet Kateryna Gornostai sehr faktisch aus, als Beobachterin, deren Haltung gegenüber den Geschehnissen in den Hintergrund tritt. Manchmal zoomt sie auf ein weinendes Kind, verloren inmitten einer Feier zum Jahresabschluss. Bisweilen fokussiert sie auf dramatische Momente: die Beerdigung einer Rektorin, die bei einem Angriff auf die Schule starb. Oder eine Abschlussklasse in Ballkleidern, der ein Militär rät, das Leben zu genießen, bevor er sie zum Wiederaufbau der Ukraine verpflichtet.
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Die Wahlmöglichkeiten für diese jungen Menschen, die eigentlich unbeschwert ins Leben starten wollen, hat der Krieg dezimiert. Und so diskutiert eine obere Klasse mit einer Armeeangehörigen den Dienst an der Waffe. „Wie hält man das aus, Tote zu sehen und in Lebensgefahr zu sein?“, fragt eine junge Frau. Daran gewöhne man sich, langsam, so wie sich in einem Horrorfilm die Spannung aufbaue, antwortet die Soldatin. Da läuft es einem angesichts der aktuellen Entwicklungen rund um die USA und Russland sehr kalt über den Rücken. Welchen Frieden gibt es für die Ukraine?
Termine: 21.2., 12.45 Uhr Urania; 21.2., 18.30 Uhr Uber Hall; 22.2., 20.30 Uhr HdBF; 23.2., 10 Uhr HdKdW